Die Zeichen standen an und für sich günstig für einen großen Mahler-Abend im Wiener Konzerthaus, denn vielversprechende Solisten waren aufgeboten, um gemeinsam mit der Wiener Singakademie und dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter der Leitung von Cornelius Meister Gustav Mahlers Schmerzenskind, die Kantate Das klagende Lied zur Aufführung zu bringen. Doch manchmal kommt es anders als erwartet.
Gustav Mahlers Das klagende Lied ist wahrlich ein besonderes Opus 1. Vieles, was er in Symphonie und Lied in den folgenden Jahren noch leisten sollte, ist in dieser Märchen-Kantate bereits angelegt. Mahler hat den Text im Alter von 17 Jahren gedichtet und vertonte ihn daraufhin zwischen Herbst 1879 und November 1880. Zahlreiche Versuche einer Aufführung scheiterten, was den Komponisten dazu zwang, das Werk einer Revision zu unterziehen, auf welche noch eine weitere folgte, bis das Schmerzenskind 1899 in den Druck kam und 1901 im Großen Musikvereinssaal in Wien uraufgeführt wurde. Nachdem 1969 der letztlich gestrichene erste Teil, Waldmärchen, vom Verlag Belwin Mills der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht worden ist, erklingt Das klagende Lied zumeist in einer Mischfassung, die diesen ersten Teil mit den beiden revidierten Teilen Der Spielmann und Hochzeitstück kombiniert. In dieser Fassung erklangt Das klagende Lied auch im Wiener Konzerthaus.
Bei Cornelius Meister und dem RSO Wien schien dieses Stück geradezu in dafür prädestinierten Händen zu sein. Das Orchester und sein Chefdirigent haben sich wahrlich Meriten bei der Aufführung und Einspielung von Werken des ausgehenden 19. sowie 20. und 21. Jahrhunderts erworben. Umso größer war dann die Enttäuschung darüber, was an diesem Abend zu hören war. Das Orchester konnte über das ganze Werk hinweg keinen Spannungsbogen aufbauen, wirkte unsicher und fiel vor allem durch plumpen, meist zu lauten und undifferenzierten Orchesterklang auf. Zudem wollte die Kommunikation mit dem Fernorchester nicht so richtig funktionieren. Auch die Wiener Singakademie in der Einstudierung durch Heinz Ferlesch hat sicherlich schon stärkere Abende gesungen. Ein fahler Chorklang prägte die gesamte Aufführung, Einsätze wirkten unsicher und vor allem das metallisch angestrengte Klangbild des Soprans, das so zu gar keiner Einheitlichkeit führen wollte, wiegen als deutliche Minuspunkte dieser Aufführung.