ENFRDEES
La web de música clásica

Zeit, Abschied zu nehmen: Die Liebe zu drei Orangen an der Komischen Oper

Por , 21 enero 2023

Helmut Kohl war Bundeskanzler, in den USA sorgte die Lewinsky-Affäre für Schlagzeilen und die Fußballweltmeisterschaft, in der Zinédine Zidane Frankreich zum Titel führen sollte, wurde gerade eröffnet, als die aktuelle Inszenierung von Sergei Prokofjews Die Liebe zu den drei Orangen an der Komischen Oper Berlin am 13. Juni 1998 Premiere feierte. Nach 25 Jahren und fast 150 Vorstellungen heißt es in diesem Jahr Abschied nehmen. Aufgrund der bevorstehenden Renovierung und den Gegebenheiten des Ausweichquartiers im Schillertheater, zeigt das kleinste der Berliner Opernhäuser die Inszenierung von Andreas Homoki in dieser Saison zum letzten Mal. Ein Einblick in die vorvorletzte Vorstellung.

Die Liebe zu drei Orangen
© Monika Rittershaus

Bis auf den letzten Platz ausverkauft ist die Komische Oper an diesem typisch trist-grau-öden Berliner Winterfreitag. Stammpublikum, Neuinteressierte, viele Kinder befinden sich unter den Zuschauer*innen. Sie alle erwartet ein farbenfrohes Spektakel, dass auch nach einem Vierteljahrhundert nichts von seinem Charme verloren hat. Denn so sehr der Prinz seine Orangen liebt, so groß ist die Liebe zum Detail in diesem Haus. Nichts vom staubigen Repertoireschinken ist zu erkennen in dieser karikaturesk-humorvollen Inszenierung von Homoki, die ein halbes Jahrzehnt vor seinem Start als Chefregisseur und später Intendant des Hauses entstand. Sie ist Zeugnis davon, wie ernst man an der Komischen Oper auch die abermalste Wiederaufnahme nimmt.

Verzwickt ist die Geschichte des chronisch melancholischen Prinzen, der nicht zu Lachen vermag, durch Magie seine Liebe zu drei Orangen findet, die sich als echte Prinzessinnen entpuppen, aber aufgrund der korrupten Beamten und machthungrigen Verwandten dennoch nicht hürdenlos zum märchenhaften Ende führt. Das klingt zunächst wie ein selbstlaufendes Fantasieabenteuer, braucht aber eine starke Inszenierung, um zu funktionieren. Homoki nimmt die Figuren in seiner Geschichte ernst, aber niemals zu sehr. So wirken alle Charaktere optisch dem Kinderbuch entsprungen, sind überzeichnet, driften aber niemals in reine Blödelei ab. Das ist die große Stärke der Produktion. Sie ist kurzweilig, findet aber auch Hintersinn.

Die Liebe zu drei Orangen
© Monika Rittershaus

Wie viel Tragödie auch immer in der Komödie steckt, symbolisieren nicht zuletzt auch zwei menschengroße Bücher gleich zu beginn. Mit ihnen streitet der Chor – das Publikum symbolisierend – was denn nun an diesem Abend gegeben werden soll. Der zeitlose Kampf zwischen Erkenntnis und Unterhaltung. Nicht alle Mittel der Produktion haben die Zeit seit ihrem Entstehen allerdings gut überdauert. Vor mehr als zwei Dekaden mag das blaue Anmalen von weißen Sängern, die schwarze Charaktere darstellen, vielleicht fortschrittlich gewirkt haben. Im Jahr 2023 weiß man aber, dass das sogenannte Bluefacing am Ende doch nur eine Weiterführung verpönter rassistischer Praktiken ist.  

Am Ende ist die fast 150. Aufführung von Die Liebe zu den drei Orangen an der Komischen Oper wieder einmal ein Beleg für eine der größten Stärken dieses Hauses: sein spielfreudiges Ensemble. Rupert Charlesworth gibt den naiv-trotzigen Prinzen, Jens Larsen den gesetzt-verzweifelten König mit kräftigem Bass. Als nimmermüder Truffaldino beweist sich Ivan Turšić als ihr Pendant. Bis in die kleinen Rollen zeigen alle Sänger*innen Spaß an ihren Charakteren, der ansteckend wirkt. Im Mittelpunkt dabei steht auch der Chor mit seiner überwältigenden Präsenz, die vor allem schauspielerisch seines gleichen sucht. Zusammengesetzt aus Mitgliedern des Ernst Senff Chors und Chorsolist*innen und Kompars*innen der Komischen Oper Berlin beobachten und kommentieren sie das Geschehen und greifen gleich mehrfach darin ein, um dem Stück eine neue Richtung zu geben. 

Hatte bei der Premiere 1998 noch der im vergangenen Jahr verstorbene Michail Jurowski im Graben gestanden, fällt diese Rolle in der finalen Vorstellungsserie Hendrik Vestmann zu. Der estnische Dirigent kehrt das surrealistische Element der Partitur hervor. Dabei legt er großen Wert, die Sänger*innen nicht zu übertönen, um zugleich den berühmten Marsch in all seiner schmissigen Rasanz auszukosten. Noch zwei allerletzte Male ist das am 29. Januar und am 4. Februar zu erleben – die Jagd auf die Restkarten lohnt sich.

***11
Sobre nuestra calificación
Ver la programación
“eine karikaturesk-humorvolle Inszenierung von Homoki”
Crítica hecha desde Komische Oper Berlin, Berlín el 20 enero 2023
Prokofiev, El amor de las tres naranjas
Hendrik Vestmann, Dirección
Andreas Homoki, Dirección de escena
Frank Philipp Schlößmann, Diseño de escena
Mechthild Seipel, Diseño de vestuario
Franck Evin, Diseño de iluminación
Orchester der Komischen Oper Berlin
Chor der Komischen Oper Berlin
Werner Hintze, Dramaturgia
Agnes Zwierko, Fata Morgana
Ru Charlesworth, Prince
Ivan Turšić, Truffaldino
Hubert Zapiór, Pantalone
Jens Larsen, King of Clubs
Philipp Meierhöfer, The Magician Celio, Cook
Mirka Wagner, Ninetta
Elisabeth Wrede, Princess Linetta
Josefine Mindus, Princess Nicoletta
Susan Zarrabi, Princesse Clarissa
Karolina Gumos, Smeraldina
Zoltan Nagy, Leandro
Opulent minimalism: Kosky directs a new staging of Akhnaten
****1
A blade too dull: Kosky directs Sweeney Todd at Komische Oper
**111
Kirill Serebrennikov’s Marriage of Figaro challenges Edinburgh
****1
Figaro im Kellerloch: radikale Mozart-Premiere an der Komischen Oper
****1
L'extravagant retour de La Cage aux folles au Komische Oper
****1
Kosky's Eine Frau, die weiß, was sie will at Komische Oper
***11
Más críticas...