Gleich drei Monodramen an einem Abend. Und das in einer Oper. Aber seit Barrie Kosky an der Komischen Oper Berlin ist, kann man eben auch Schauspiel und großartige Musik in einem sehen. Diesmal sogar wörtlich genommen. Die von ihm immer wieder als Muse bezeichnete Schauspiel-Sängerin Dagmar Manzel verbindet Arnold Schönbergs Pierrot Lunaire und zwei Monologe von Samuel Beckett: Nicht Ich und Rockaby. Es sei ein langjähriger Herzenswunsch der beiden gewesen, sagt Kosky, und nun ist dieser auch noch coronakonform.
Kaum hat man die Maske abgenommen, Black – ein Sturm bricht los. Ohrenbetäubend umschlungen, im Dunkeln und von Zischen umgeben sitzt man da. Man mag sich noch wundern, wieso Beckett-Monologe in einer Oper zu hören sind, aber sobald ein kleiner Spot auf Dagmar Manzels Mund, der wie in der Rocky Horror Picture Show alleine tanzend zu sehen ist, Nicht Ich zu spielen beginnt, spürt man die Musikalität, die in diesem Satzfetzen wiederholenden Redeschwall liegt, den Manzel mit seiner pausenlosen Melodie geradezu beim Ausatmen in ihrem Mund knetet. Rhythmisch wie besessen platzt der ungeordnete Redefluss aus der Figur, einer älteren Frau um die Siebzig, heraus. Es scheint in ihrer Kindheit ein traumatisches Erlebnis gegeben zu haben, was sie hat stumm werden lassen, das sie aber von sich wegstößt; selten ohne Narrativ, dafür aber rhythmisch sich ergießend. Der Mund von Manzel und ihre herrlich wandelbare Stimme – tief, warm, rau, weich, sanft, ängstlich-zitternd – sind große Kunst. Ihre Lippen verziehen sich geradezu akrobatisch. Auch die Geräuschkulisse für den Monolog macht sie selbst (lacht, schreit, seufzt), bis die Glocken einer Uhr erklingen. Dunkel.
Geht das Licht wieder an, sitzt Manzel in schwarzem Glitzer-Kleid mit grauer Perücke unter schwarzer Mütze in einem Schaukelstuhl. Rockaby, eine Mischung aus den Wörtern Schaukeln und Schlaflied, bildet musikalisch den Gegensatz zu Nicht Ich. Inhaltlich bleibt es existenziell. Zwischen Leben und Tod, Geburt und Sterben, Wiege und Grab schaukelt sie hin und her und lauscht ihrer Stimme vom Band. Das ist meditativ. Blass und komplett steif, Hände auf den Armlehnen hört sie von ihrer eigenen Vergänglichkeit, ihrem eigenen Todeswunsch im Schaukelstuhl ihrer verstorbenen Mutter. „Zeit, dass sie aufhört“, spricht sie leise mit und sobald die Stimme, das sprachliche in den Tod Schaukeln, aufhört, erklingt immer wieder ein „mehr“ aus ihrem Mund. Traurig, alt und herzzerreißend wird es immer schwächer und flehender nach einem Ende. Es kommt immer mehr; mehr Text über das Sitzen am Fenster, die Einsamkeit des Lebens. Ein Redefluss, der diese Leerstellen nicht überdecken kann. „Scheiß auf das Leben. Wipp sie weg!“, sagt die Stimme. Da bleibt einem das Lachen im Halse stecken und die Wiederholungen enden abrupt, der Stuhl bleibt unbewegt, die Stimme verstummt, ihr Kopf sinkt auf ihre Brust. Und wieder sind da die Turmuhrglocken. Dunkelheit.