Eine Symphonie, entstanden in der Hochphase des Stalinistischen Terrors, in der Menschen verschwanden, in Gulags verschleppt oder bei grausamen Schauprozessen hingerichtet wurden, erzählt viel von ihrer Zeit. Schostakowitschs Fünfte Symphonie ist äußerlich ein Werk, das den kulturpolitischen Ansprüchen der Sowjets entspricht. Der Komponist stand seit der Uraufführung seiner Oper Lady Macbeth von Mzensk unter scharfer Beobachtung und seine Vierte Symphonie wagte er nicht zur Aufführung zu bringen, solange Stalin an der Macht war. Die Fünfte wurde zum Erfolg und gehört noch heute zu einer seiner beliebtesten Symphonien. Die Münchner Philharmoniker wagten sich in der Philharmonie unter der Leitung von Krzysztof Urbański, der die Symphonie selbst gerade erst mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester aufgenommen hatte, an das Werk. Der junge Pole ist kein Unbekannter bei den Münchner Philharmonikern und hat das Orchester unter anderem 2016 bereits bei Klassik am Odeonsplatz geleitet.
Urbańskis Interpretation gestaltete sich eigenwillig und in der Gesamtschau genau richtig. Hintergründige Ironie traf auf schmerzlich konsequente Tempi. Urbański fand dabei eine ganz eigene Sprache, die ganz von ihrer Emotionalität lebte. Das Allegretto marschierte mit Nachdruck, wirkte gleichzeitig aber sehr luftig und bis zum Äußersten grotesk. Es war genau dieser Widerspruch, der die Interpretation der gesamten Symphonie so lebendig machte. Die strengen Tempi setzten sich in klarem Kontrast zu den freiklingenden, farbenfrohen Solipassagen.
Urbański grenzte den operettenhaften zweiten Satz klar vom introvertierten dritten ab, den die Kritiker in der Sowjetunion einst als eine Beschreibung des „bedenkenden Menschen“ interpretierten. Er ließ allerdings keinen Zweifel daran, dass dieses Largo nichts anderes als ein Trauergesang auf das Leben unter der stalinistischen Knechtschaft ist. Den finalen vierten Satz ging Urbański mit akademischer Akribie an und hatte jede Tempoverschiebung genau abgewogen. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen erfüllte das Finale seinen Zweck vollkommen: Ein Finale, das jubeln soll und eigentlich nur unter den Knüppeln des Faschismus ächzte.