Zwei Männer, zwei Nationen, aber nur ein Ziel: Wer kennt sie sich nicht, die ergreifende Geschichte von Roald Amundsen, Robert Falcon Scott und dem Wettlauf zum Südpol? Die Bayerische Staatsoper hat sich des mythenumrankten Stoffs angenommen und beim tschechischen Komponisten Miroslav Srnka die abendfüllende Oper South Pole in Auftrag gegeben. Das Ergebnis wurde nun glamourös inszeniert.
Am Pult steht Generalmusikdirektor Kirill Petrenko, auf der Bühne duellieren sich Rolando Villazón als Scott und Thomas Hampson als Amundsen, der Orchestergraben platzt aus allen Nähten und die Inszenierung kommt von niemand geringerem als Hans Neuenfels, während ARTE die groß angekündigte Uraufführung zeitversetzt übertrug. Doch war das wirklich das richtige Erfolgsrezept, oder hätte das Münchner Opernhaus andere Akzente setzen können?
Im großen Kontrast zum Staraufgebot gibt sich die Bühne jedenfalls karg und lebensfern. Im kalt-blendenden Weiß wird die polare Leere mit viel Fläche und praktisch ohne jeglichen Requisiten skizziert: Sechs Pferde und eine Pistenraupe für Scott und sechs Hunde für Amundsen. Das war's. Links kämpft das unorganisierte Team Scott gegen Kälte und Wahnsinn, rechts, mit deutlich mehr Erfolg, das Team Amundsen. Lediglich ein schwarzes X im Hintergrund versucht, das geographisch nicht greifbare Ziel zu illustrieren.
South Pole ist auch jenseits der Bühnenkomposition eine streng symmetrische Doppeloper, die klanglich eher abstrakt als lyrisch-konkret bleibt. Das wird schon nach den ersten Takten klar. „Dah-di-di-di-dit dit dah-dah-dit…“ – a cappella morsen sich Rolando Villazón und Thomas Hampson ein Telegramm zu. Auf der Bühne trennen die beiden Teams, die sich 1911 so nie gesehen haben, nur wenige Meter und eine weißer Balken am Boden. Um ein paar Sekunden zeitversetzt singt der Tenor im imaginären Duett mit dem Bariton, welches nur im Kopf der beiden Wettstreiter stattfindet. Aber, so will es das Libretto von Tom Holloway, beide Polarforscher plagen dennoch die gleichen Gedanken; beide zermartern dieselben Ängste.
Und so wird das Surreale schnell zum eigentlichen Thema. Srnkas Partitur im A2-Format, für die extra ein neues Pult gebaut werden musste, artikuliert dabei nicht so sehr das ewige Eis als die psychologische Belastung der Wettstreiter. Splitternd klirrende, oftmals glockenspielartige Klänge, die manchmal von den Streichern weitergetragen werden, stehen im Vordergrund; greifbare Formen hört man wenige. Srnka hat dabei das Bayerische Staatsorchester in derart viele Einzelstimmen aufgefächert, dass selbst Kirill Petrenko ins Schwitzen kommt.
Höchstkonzentriert schwingt der Generalmusikdirektor den Taktstock, der Blick weicht selten von den Notenblättern ab, doch wirkliche Einheit möchte bei den vielen versetzen Mischungen trotzdem nicht aufkommen. Das liegt weniger an Petrenkos akribischem Dirigat als an Srnkas überfrachteten Partitur. In einigen Sprechpassagen müssen die Sänger durch Mikrophone verstärkt werden, um in der sanft wummernden Polyphonie nicht unterzugehen. Zu selten kumuliert diese in akzentsetzenden Steigerungen, bleibt merkwürdig eintönig und undurchschaubar repetitiv im Klang. Und so verdichtet sich alsbald die Frage, wofür der mächtige Klangapparat überhaupt benötigt wird.