Nachdem Sir Roger Norrington und das ZKO mit Mozart-Symphonien in Zürich Maßstäbe gesetzt haben, durfte man gespannt sein, wie die „lokale Konkurrenz“ im Vergleich abschneiden würde.
Das Tonhalle-Orchester Zürich präsentierte sich in einer angemessen kompakten Formation; die beiden Violinstimmen waren links platziert, aber es ergaben sich bei den Werken des Abends auch mit den rechts außen platzierten Bratschen öfters links-rechts Dialoge unter der Leitung des Niederländers Jan Willem de Vriend, der 2015 bereits einmal hier zu Gast war.
Anfänglich fand ich die Symphonie Nr. 39 überzeugend, wenn nicht gar begeisternd, schon in der Tempowahl: Das Zeitmaß schien sehr zügig für ein Adagio; de Vriend gelang es aber, die Einleitung trotzdem feierlich, majestätisch klingen zu lassen. Nicht umsonst hat Mozart hier Alla breve-Notation gewählt, die der Dirigent konsequent umsetzte. De Vriend dirigierte ohne Taktstock, aber präzise, mit kraftvollen, energetischen Bewegungen, modellierte mit Händen und Armen die Phrasen. Das Orchester spielte konsequent ohne Vibrato, fern vom homogenen, satten Streicherklang und der Hochglanz-Perfektion, die es in den letzten Jahrzehnten so erfolgreich kultiviert hat.
Zum historisierenden Spiel passte die sehr kontrastreiche Dynamik; Crescendi waren allerdings tendenziell überdeutlich. Das Instrumentarium war weitgehend modern, bei den Streichern speziell die Bögen und mit Sicherheit auch die Saiten. Was mir nicht ganz zusagte, war eine Vorliebe für bauchige Noten: Wenn der Phrasenschwerpunkt auf einen langen Notenwert fiel, wurde dieser meist an- und abschwellend artikuliert. Wenngleich das in der Partitur explizit nicht verlang wird, mag das gelegentlich angebracht sein; wenn es aber so häufig wie hier auftritt, wirkt es manieriert, wenn nicht gar ermüdend. Mit den kürzeren Bögen der Mozart-Zeit wäre die Versuchung zu derartigen Schwellern und zum Nachdrücken deutlich geringer gewesen.
Auffallend fand ich die starke Präsenz der Pauken, die zeitgerecht mit gedrechselten Holzschlegeln bespielt wurden. Anfänglich wirkte das sehr erfrischend, mit der Zeit allerdings verflachte für mich der Effekt; die Paukenschläge waren letztlich (gegen Ende des Abends) zu dominant. Etwas mehr dynamische Differenzierung statt Schwarzweißmalerei hätte der Musik meines Erachtens gut angestanden.
Die raschen Sätze nahm de Vriend stets schwungvoll, eher zu sportlich, im Menuett und im Finale der Es-Dur-Symphonie so rasch, dass die kleinen Notenwerte gerade eben noch artikuliert werden konnten. Man könnte argumentieren, dass die Orchester zu Mozarts Zeit diese Tempi kaum gemeistert hätten. Anderseits könnte man genauso behaupten, dass Mozart bewusst an die Grenzen ging, und dass in der heutigen, schnelllebigen Zeit und der orchestralen Perfektion diese Grenze höher gelegt werden muss. Dennoch geriet manches an die Grenze zur Übertreibung und auch die hinreißendste Mannheimer Rakete verliert ihre Wirkung, wenn sie so häufig angebracht wird.