Als die Oper Frankfurt vor vier Jahren Tschaikowskys Iolanta auf die Bühne brachte, war die litauische Sopranistin Asmik Grigorian noch nicht der Weltstar, der sie heute ist. So bewiesen die erst kürzlich erneut zum „Opernhaus des Jahres“ gekürte Spielstätte und ihr Intendant Bernd Loebe mal wieder ein Gespür für heranwachsende Operngrößen. Seit ihren ersten Engagements bei den Bühnen Frankfurt blieb Grigorian dem Haus treu und kehrt regelmäßig für diverse Produktionen zurück – nun auch für die Neuinszenierung einer weiteren Tschaikowsky-Rarität: Die Zauberin ist eine wenig beachtete Oper des russischen Komponisten, sein Sujet bietet jedoch die Möglichkeit, einen ganz großen Opern-Thriller zu inszenieren!
Tscharodejka, also Die Bezaubernde, ist eine Oper in vier Akten mit einem Libretto von Ippolit W. Schpaschinski und wurde 1887 im Sankt Petersburger Mariinski-Theater uraufgeführt. Sie galt als Tschaikowskys Lieblingsoper, was ihr jedoch nicht den erhofften Erfolg erbringen konnte. Während Iolanta und Mazeppa in den letzten Jahren eine kleine Aufführungs-Renaissance erfahren haben, findet sich Die Zauberin kaum auf den Spielplänen der Opernhäuser wieder.
Das Liebes- und Eifersuchtsdrama um die schöne Nastasja, genannt Kuma, die sowohl den Fürsten als auch seinen Sohn, den Prinzen Juri in sich verliebt macht, strotzt von Leidenschaft, politischen und religiösen Konflikten und einem ebenso dramatischen wie unvermeidlichen tragischen Ende. Und ebenso inszenierte der russische Regisseur Vasily Barkhatov: Anstelle mystifizierender Symbolik präsentierte er einen direkten, aber nicht weniger spannenden Opern-Thriller. Einem dem Regietheater weniger zugeneigtem Zuschauer mag bei dieser Ästhetik der Begriff „Eurotrash“ in den Sinn kommen, doch Barkhatovs Inszenierung ist durchaus stimmig und intelligent. Hochglanzfotos erzählen während der Ouvertüre die Vorgeschichte Kumas, wie sie einen reichen Mann heiratet, eine glückliche Ehe und Schwangerschaft erlebt, dann aber eine Fehlgeburt erleidet und ihre Ehe an diesem Verlust zerbricht. Ihr Mann wendet sich immer mehr den Drogen und auch anderen Frauen zu und stirbt letztlich an einer Überdosis. Die darauffolgenden Bilder zeigen sie als millionenschwere Erbin, die ihr Anwesen verkauft und schließlich zu sich findet, indem sie sich der Kunst widmet und eine Galerie eröffnet. Die Bebilderung ihrer Vorgeschichte ist ein exzellenter Trick, der Kuma sofort die Sympathien des Publikums erlangen lässt.
In ihrer Galerie trifft sich die russische Avantgarde zu Festen und zum offenen Austausch über Kunst und Politik. Man feiert ausgelassen, tanzt und nur die Trinklieder werden von dem regelmäßigen Zischen immer wieder geöffneter Bierdosen unterbrochen. Ihre Freunde werden von Barkhatov plakativ und nicht ohne Klischees als exzentrische und nonkonforme Menschen gezeigt, wie sie auch heute noch der russischen Führung ein Dorn im Auge sind.