Ein düsterer Raum, karg möbliert mit einer schwarzen Matratze, darauf eine Frau. Sie schläft, ist aber geplagt von Alpträumen, wirft sich herum, steht gelegentlich auf, versucht mühsam, sich in der düsteren Welt zurecht zu finden – ein Mensch in Einsamkeit, der nicht zur Ruhe kommen kann. Dann öffnet sich ein zweiter Raum. Alessandro Giaquinto, der diese faszinierende Choreographie für das Stuttgarter Ballett geschaffen hat, war auch zuständig für eine raffinierte Raumgestaltung, die den Bühnenraum nahezu ausschließlich mithilfe von Licht kreiert und eröffnet ein zweites „Zimmer“ allein durch Schlaglicht. Von dem Raum der Tänzerin ist dieser zweite Raum durch einen schwarzen Schattenbalken getrennt, eine Art Wand. Kommunikation zwischen beiden Bereichen und Akteuren ist unmöglich. Auch in diesem Raum kommt kein Wohlgefühl für den Bewohner auf. Der Tänzer fasst sich an den Kopf, versucht sich mit zögernden Bewegungen im Raum zu orientieren – vergeblich. Auch hier eine Existenz auf sich stellt. Ganz anders die beiden Tänzer im dritten Lichtraum. Sie – auch im privaten Leben der beiden Tänzer ein Paar – versuchen rund um einen Tisch eine Art Normalität zu etablieren. Das müsste ihnen als Paar ja auch gelingen, will sich aber doch nicht einstellen. Ob solo oder zu zweit – das Leben ist eine Versuchsanordnung. Giaquinto ist mit Aedis eine hochphilosophische Choreographie über das Leben gelungen, in der dem Zuschauer fast der Atem stockt, wenn plötzlich trotz räumlicher Trennung die beiden Solotänzer identische Bewegungen ausführen: Paartanz trotz räumlicher Distanz, emotionale, psychische Nähe trotz Trennung ist möglich – ein kurzer Moment des Glücks, von Miriam Kacerova, Roman Novitzky (dem Paar) und Anouk van der Weijde und Timoor Afshar kongenial tänzerisch umgesetzt.
Begegnung, Paarbeziehung scheint im letzten Stück des Abends möglich, auch wenn das Ambiente von Mehlberg von Shaked Heller – auch er ist wie vier der fünf Choreographen des Abends für Tanzkostüme und Bühne zuständig – eher an eine psychiatrische Anstalt oder ein Verlies erinnert. Ein an die Theaterwelt Samuel Becketts erinnernder grauer Betonraum mit immerhin sieben Türöffnungen, durch die dennoch ein Ausweg kaum möglich zu sein scheint. Die drei Tänzer – Elisa Badenes, Angelina Zuccarini und Louis Stiens – bewegen sich zwar in diesem gemeinsam bewohnten Raum, können jedoch nicht aus sich heraus. Alle ihre Bewegungen kreisen um den eigenen Körper. Eckig versuchen sie, aus diesem Körpergefängnis auszubrechen, doch immer wieder sehen sie sich auf sich selbst zurückgeworfen. Der Körper, das Ich, als Gefängnis. Eine „Außenwelt“ scheint es nicht zu geben.
Das gilt schon von der Besetzung her erst recht für Aliunde levi von Aurora De Mori. Sie schuf ein Solo für die Tänzerin Hyo-Jung Kang. Kämpferisch scheint diese hier aufzubegehren gegen Einsamkeit, gegen die Umstände der Welt. Das ist eine Art Versuch, die Begrenzung des eigenen Körpers zu überwinden. Erst als sie nach den anfänglichen Trommelklängen der Musik zu fließenden Flötentönen zur Ruhe kommt, findet sie auch zu sich selbst – ein tröstliches Stück gegen die Widerstände der Welt auf dem Weg zum inneren Ruhepol.