Ein schwieriges Verhältnis wird mit dem Motto der diesjährigen Ausgabe von Wien Modern thematisiert. Pop.Song.Voice soll, wie dies auch schon in den vorhergegangenen Jahren mit den Themen Tanz und Film/Fernsehen geschehen ist, scheinbar starre Grenzen überschreiten und durchbrechen helfen, und vielleicht, das ist anzunehmen, zu einer Annäherung der Phänomene populärer Musik und der sogenannten neuen Musik beitragen. Ein hehres Ziel, möchte man meinen, das, wie der Uraufführungsabend mit dem RSO Wien unter Cornelius Meister zeigte, schwerlich zu erreichen ist.
In den Pausengesprächen und den Diskussionen nach dem Konzert wurde klar, dass selbst Freunde der Neuen Musik und Veteranen des Festivals Wien Modern mit dem Dargebotenen so ihre Schwierigkeiten hatten, die weniger in der Interpretation durch die Musiker lagen als vielmehr in den uraufgeführten Werken selbst. Vielleicht ist es daher notwendig, zunächst darüber nachzudenken, was in diesem Zusammenhang "Uraufführung" bedeutet, denn bei beiden Werken handelte es sich genau genommen um Teiluraufführung. So wurden Sätze aus Anamorph II (Fake: a Suite) von Gerhard E. Winkler bereits aufgeführt und auch die neuen Songs aus der Hommage à Klaus Nomi von Olga Neuwirth können schon auf eine längere Aufführungsserie in anderen Fassung zurückblicken.
Zu problematisieren ist des Weiteren das jeweilige Verhältnis der Werke zur populären Musik beziehungsweise deren Szene. Wo Gerhard E. Winklers Suite auf wohl beabsichtigt banale Weise mit Idiomen der populären volkstümlichen Kultur spielt (Ausnahmen bilden dabei freilich die Sätze Tango Charlie H. (in memoriam) und Mystery-Act), versteht sich Olga Neuwirths Songzyklus im wörtlichen Sinne als Hommage an den 1983 verstorbenen Pop-Countertenor Klaus Nomi.
Nach Selbstauskunft von Gerhard E. Winkler auf seiner Website handelt es sich beim Anamorphe-Zyklus, dem Anamorphe II (Fake: a Suite) zugehörig ist, um einen Zyklus von Kompositionen, der mit prä-existentem Material arbeitet, indem dieses nichtlinear in verschiedene Raum-Zeit-Felder projiziert wird. Was dies bedeutet, lässt sich anschaulich am dritten Satz der Suite, dem Delirienländler zeigen. Eröffnet wird dieser durch einen traditionellen Tusch, bevor dann ein verzerrter Ländler mit teilweise geräuschhaften Klangebenen und spektralen Klangfeldern folgt. Ähnliches gilt auch für das Wienerlied (1. Satz) und den Finalsatz Pussy-(r)-Polka. Alles in allem handelt es sich dabei um keine besonders neue, geschweige denn originelle Idee, die aber nichtsdestotrotz in 20-minütiger Dauer unterhaltsam wirken kann.