Olivier Messiaens Turangalîla-Symphonie wird gelegentlich der Stempel „Kitsch“ aufgedrückt – meiner Meinung nach zu Unrecht. Messiaen bedient sich einer musikalischen Sprache, die trotz Dissonanzen volksnah bleibt, leicht zu erfahren und verstehen ist. Das mag den Bekanntheitsgrad der Symphonie innerhalb Messiaens Oeuvre erklären, rechtfertigt aber nicht automatisch, dieses Werk als Kitsch zu bezeichnen. Letzteres impliziert für mich strukturelle und inhaltliche Trivialität, von denen bei Messiaen keine Rede sein kann: Die musikalische Sprache und Motivik, der Formenreichtum und die Ansprüche an die Ausführenden sind alles andere als simpel!
Dass die Symphonie so selten aufgeführt wird, liegt vor allem daran, dass sie ein sehr großes Instrumentarium benötigt, zudem mit Ondes Martenot ein exotisches Instrument, das wohl nicht einfach greifbar ist. Umso mehr fühlte ich mich privilegiert, die Turangalîla wenige Monate nach einer Aufführung unter Gustavo Dudamel im KKL Luzern ein zweites Mal erleben zu dürfen.
Die Saison 2016/17 der Basel Sinfonietta steht unter dem Motto Grenzen respektive deren Überschreitung, symbolisch-thematisch wie auch physisch: Die primäre Spielstätte des Ensembles, das Stadtcasino Basel, wird während der kommenden drei Jahre umgebaut und steht für Konzerte nicht zur Verfügung. Das Orchester greift deshalb auf alternative Spielstätten zurück, für die Turangalîla-Symphonie auf das Musical Theater Basel, das mit 1500 Sitzplätzen von der Größe her ideal ist für ein derartiges Werk. Es ist allerdings kein Konzertsaal, sondern ein (Musik-)Theater, dessen Akustik eher auf Verständlichkeit des gesungenen und gesprochenen Wortes ausgelegt ist als auf das Umhüllen reiner Instrumentalmusik.
Eine derartige Konstellation führte zu unvermeidlichen Kompromissen. Die Bühne des Theaters war mit Verschalungen (Seiten, Rückwand und Decke) zu einer tiefen Orchesternische umgebaut, deren vorderer Rand knapp in den Zuschauerraum hineinragte. Das garantierte die einigermaßen gleichmäßige Hörbarkeit des Instrumentariums, dennoch fehlte der Nachhall, die akustische Stütze. Das muss nicht a priori schlecht sein, ändert aber den Charakter der Darbietung und bedingte Anpassung in der Aufstellung; so wurde beispielsweise der Flügel ohne Deckel belassen. Dies war vermutlich nötig, damit die Musiker im hinteren Teil der Bühne das Instrument überhaupt hörten, führte aber dazu, dass das Klavier oftmals im Orchestertutti kaum hörbar war. Generell waren leise Soli, etwa die Kontrabass-Pizzicati im Chant d'amour 2 oder das Solo-Cello in Turangalîla 2, manchmal fast nicht wahrnehmbar.
Schon allein aufgrund der akustischen Situation ist diese Aufführung mit derjenigen Dudamels im KKL nicht vergleichbar. Fundamentale Unterschiede bestanden auch im Interpretationsansatz: Dudamel setzte auf Schwung und Ausdruck, ließ die Emotionen oft fast überkochen. Baldur Brönnimann hingegen nutzte die Charakteristik der Theaterakustik für eine eher analytische Herangehensweise. Er dirigierte klar, stets souverän und präzise, und dank des offenen Flügels konnte man sein Wirken bestens mitverfolgen.