Für den sechsten Teil seines Beethoven-Zyklus beim Musikfest Berlin wählte Igor Levit vier Klaviersonaten aus, die alle um 1800, d. h. in der Zeit entstanden sind, als Beethoven nach eigenen Worten einen „neuen Weg“ zu komponieren suchte.
In der D-Dur-Klaviersonate stellte der Komponist erstmals dem intensiven Stil seiner früheren Sonaten einen „extensiven“ entgegen, was vom Pianisten eine ganz andere Art verlangt, die komponierten Prozesse auf die Tasten zu übertragen. Levit begann so, als ob ein Erzähler eine Begebenheit als vergangen vortrug, suchte dann behutsam nach dem Seitenthema und beharrte auch da in der Bewegung, als die Durchführung das weit ausladende erste Thema schrittweise verkürzte bis von ihm nur ein einziger Akkord übrigblieb. Dieser thematischen Arbeit nahm er alle Anstrengung, die Beethovens Abspaltungen für gewöhnlich charakterisiert. Im Andante erzählte der Pianist ernst und still klagend die Geschichte einer Ballade nach und traf im Mittelteil fein die unschuldig-bukolischen Züge. Allein im Scherzo wurde es etwas widerborstig, weil Beethoven hier auf ein Thema verzichtete und statt dessen mit Formeln und Floskeln komponierte. Skurril wurde es im Trio, wo die Oberstimme ständig gleichblieb und allein in der Begleitung Veränderungen vorgenommen wurden. Im Finale genoss Levit dann die für Beethoven sehr untypische konfliktlose thematische Entfaltung. Nur am Ende überdrehte das Thema ins Presto. Es waren an diesem Vormittag die Werkschlüsse, die Levit stets mit großer Intensität vorführte!
Keine Sonate komponierte Beethoven so gestisch wie seine in G-Dur stehende. Levit akzentuierte überzeugend die geradezu körperliche Bewegung in den Ecksätzen. Er ließ sich nicht zum Parodieren verführen, sondern geriet eher ins Schwärmen. Mit der kleinen Anfangs-Synkope geriet der ganze so symmetrische Themenaufbau aus dem Tritt. Kapriziös und elegant forcierte Levit dieses rhythmische Rückgrat des Satzes, der seinen Vortrag etwas nervös machte. Das übertrug er auf die Dur-Moll-Wechsel im Seitenthema, so dass ein Zusammenhang entstand. Im langsamen Satz begleitete eine gezupfte Mandoline eine Primadonna. Levit entschied sich für grazioso, nahm das Adagio relativ schnell. Er charakterisierte es charmant und ironisierte die Koloraturen der rechten Hand nicht übermäßig, sondern veredelte die Triller zu geradezu luxeriösem Stil. Er erkannte, dass Beethoven dem Sopran einen Bass nebengeordnet hatte und ließ ein kleines Duett entstehen. Im letzten Satz war der Klavierauszug eines Opernensembles zu hören. Klug nahm der oft als Schnellspieler Gerügte die Allegretto-Vorschrift ernst, so dass sich die vielen kleinen Ableitungen und Entwicklungen auch nachvollziehen ließen. Den Schluss spielte er wunderbar pointiert: witzig, fast trocken getupft.