Bei genauerer Betrachtung begleitet Frédéric Chopin Claire Huangci schon ihr ganzes Leben lang. Nach dem Sieg bei mehreren Chopin-Wettbewerben präsentiert die junge Pianistin nun die 24 Préludes Op.28 des polnisch-französischen Virtuosen in der Stiftung Mozarteum.
Der Anspruch der Préludes an Technik und Musikalität des Interpreten sind sehr breit gefächert und bieten dem Pianisten fast uneingeschränkte Möglichkeiten, alle Facetten ihrer Kunst auszuleben. Bei einer solch zyklischen Aufführung stellt sich neben den Ansprüchen an die technischen Fähigkeiten die noch spannendere Frage der Interpretation. Claire Huangci schien den Fokus für das Konzert am 19. Mai vor allem auf das Tempo zu legen.
Das stand den ohnehin rasenden Sechzehntel-Läufen des b-Moll-Préludes Nr. 16 sehr gut; die begleitenden Oktavsprünge in der linken Hand arbeitete sie trotz des hohen Tempos fast legatoartig heraus. Beim so genannten Regentropfen-Prélude erhielt das Stück jedoch durch diese Fokussierung auf das fordernde Tempo eher den Charakter eines Regenschauers als einzelner, weicher Tropfen. Auch war ihr Spiel mal mehr, mal weniger differenziert, was sehr schade ist, da sie ihrem hochvirtuosen Spiel dadurch ein wenig die Möglichkeit des Wirkenlassens nahm.
Technisch gesehen lieferte Claire Huangci jedoch einen perfekten Auftritt. Ihre Läufe waren klanglich sehr sauber und ihre Oktavsprünge klar und präsent. Besonders gelangt es ihr auch, den verträumten Charakter des Fis-Dur Préludes Nr. 13 zu unterstreichen. Durch das zügige Tempo schuf sie in der linken Hand anhaltende Klangteppiche, die deutlich ein paar Takte länger überdauerten als man erwartet hatte. Ihre Les- und Spielart dieses Préludes erinnerte stark an die Nocturnes, ohne sich dabei aber zu weit in deren melancholischen Charakter zu stürzen. Im Großen und Ganzen lieferte Claire Huangci einen sauberen Zyklus, mit dem sie besonders ihre Virtuosität und technische Finesse in den Vordergrund rückte.