Beethoven, in Gedanken an die unsterbliche Geliebte, mochte Mozarts Così fan tutte nicht. Und Wagner hielt die Oper gar für zynisch. Davon ist Benedict Andrews in seiner Neuinszenierung der letzten der drei da Ponte-Opern an der Bayerischen Staatsoper nicht weit entfernt. Der gebürtige Australier, erfahrener Schauspielregisseur und 2019 mit seinem Film Seberg beim Filmfestival Venedig herausgestellt, inszenierte nun erstmals auf der Münchner Opernbühne.
Weibliche Seelen im Reagenzglas: in Mozarts vielleicht radikalster Oper sieht er ein Experiment mit Menschen, dessen Ausgang über die Laufzeit immer fragwürdiger wird. Das haben schon Mozart und da Ponte dem Werk mitgegeben, wenn sie es – nicht ohne Hintergedanken – als Scuola degli amanti bezeichneten. Am Anfang erscheint das Spiel der Liebenden noch als Labyrinth aus Ekstase und Glückseligkeit. Doch Begierde und Obsession erzeugen Hunger nach Erotik und Sex in allen Formen, lassen Manie und Machtspiele zu. Da steht der traditionelle Aspekt der Treue erst recht auf dem Prüfstand.
Nur sechs Personen benötigt da Ponte, um das Karussell der Liebenden in Schwung zu bringen. Ferrando und Guglielmo, zwei junge Offiziere, preisen überschwänglich die Schönheit und Treue ihrer Geliebten Dorabella und Fiordiligi. Don Alfonso, ergrauter Philosophentyp mit ebenso rationaler wie nihilistischer Einstellung, will die Probe aufs Exempel: Er schlägt den Freunden eine Wette vor, innerhalb nur eines Tages die Treue ihrer Verlobten zu testen. Jeder soll dabei der Partnerin des anderen den Hof machen.
Bereits während der Ouvertüre hebt sich der Vorhang, der Blick fällt in ein schachtelförmiges (Schlaf-) Zimmer, im öden Charme der Achtziger Jahre mit in Falten fallenden Gardinen, braver Deckenlampe und kleinem buntem Barbiepuppenschloss, das sich, ebenso wie eine graue Matratze, die schon bessere Zeiten gesehen hat, als Mobiliar durch die weitere Inszenierung ziehen wird. Magda Willis Bühne bleibt auch in der Folge auf wenige Requisiten konzentriert, in stimmigem Einklang mit dem gefühlsbefreiten Zeitgeist. Alfonso und seine Magd Despina, deren weitgespannte Dienste er offensichtlich freizügig in Anspruch nimmt, vergnügen sich auf der Matratze; Polaroidfotos werden ersatzweise geschossen, wo es nicht mehr zum Sex reicht. Kopfmaske und ein paar Lack- und Leder-Spielzeuge sollen die Stimmung steigern. Bereits dieser Einstieg ist ungewöhnlich, aber konsequent im Sinne einer Aufklärung nach sittenstrengen Dekaden.
Dass ihn der Liedgesang prägt, ist Christian Gerhaher als Alfonso durchaus anzumerken. Eher zurückhaltend, noch wenig auftrumpfend, dafür sehr klangsinnig diskutierte er mit den Freunden, machte den Mädchen die Mitteilung, dass ihre Verlobten bald in den Krieg ziehen müssten. Im späteren Verlauf, wenn sich die Handlungsfäden katastrophisch verwirren, punktete er mit der breiten Palette seiner edlen Baritonfarben. Sandrine Piau machte aus der kecken Zofe eine launige, stimmlich bravouröse Buffa-Parodie. Sie genoss es sichtlich, als Despina nicht nur dienen zu müssen: „Lieben wir zum Vergnügen!“ Das ist nicht nur Rat an die beiden leidenden Verlobten, sondern auch eigenes Motto, das sie bis zum Sex zu dritt mit den wiederkehrenden Offizieren ausleben wird.