Das Publikum möge die nun folgende Musik gut behandeln und ihr viel Aufmerksamkeit schenken, bat in einem persönlichen Statement vor Beginn der zweiten Konzerthälfte Patricia Kopatchinskaja, denn es handle sich um ziemlich schwierige Musik. Ihr selbst, so die Solistin dieses Abends, entschlüssele sich nicht einmal jedes Detail. Aber im Jahre 1922 habe ein illustrer Kreis der damaligen musikalischen Avantgarde bei einer Privataufführung in Paris dieser Sonate gebannt gelauscht. Ravel persönlich habe dem Komponisten am Klavier die Noten umgeblättert, Poulenc der Geigerin Jelly d'Arányi und unter Anderen Strawinsky, Szymanowski und Milhaud hätten Béla Bartóks Erste Violinsonate begeistert aufgenommen.
Patricia Kopatchinskaya und Fazıl Say unternahmen in Baden-Baden alles, um diese Expedition in Bartóks reichen Klangkosmos auch an diesem Abend zu einem großartigen Konzertabenteuer werden zu lassen. Gleiches galt für die Violinsonate von Leoš Janáček und die Sonate d-Moll, Op.108 von Johannes Brahms, die auch auf dem Programm dieses spannenden Konzertabends standen. Herausfordernde Musik der klassischen Moderne also bot dieses Konzert, aber auch einen überraschend modern und frisch klingenden Brahms, der wohl nie so jung gewesen sei, wie diese Interpretation, so die ironische Anmerkung eines Konzertbesuchers.
Vorherrschend an diesem Abend: Intensität – bei allen Werken vor allem in den langsamen Sätzen, so verschieden sie auch waren. Bei Janáček etwa der zweite Satz Ballada: in der Violine mit wundervoll sattem, vollen Ton über den schillernden 32tel-Ketten im Klavier; oder in der Bartók-Sonate das Adagio, wo Kopatchinskaja ihre Violine in einem langen Monolog regelrecht singen ließ, wie eine menschliche Stimme, die spannungsvoll erzählt: mal leise, dann lauter und ganz eindringlich betont. Faszinierend, welche Klangfarben die Geigerin dabei auf ihrem Instrument erzeugte, sogar innerhalb eines Tons wechselte sie manchmal den Charakter der Farbe.
Wunderbare Momente auch im Adagio der Janáček-Sonate, wo meistens das Klavier die melodische Führung übernahm und nur die Violine den Fluss mit kecken Interventionen störte, so als habe Janáček hier das Krächzen einer Krähe musikalisch nachahmen wollen – ganz im Sinne seiner Idee von der musikalischen Qualität auch der Naturlaute. In der Sonate von Johannes Brahms gab es solche bezwingenden Momente im Adagio, wo Kopatchinskaja ihren Geigenton wohlklingend in expressiver Deklamation fließen ließ. In solchen Momenten verströmte sich musikalische Magie.