175 Jahre wäre Pjotr Iljitsch Tschaikowsky dieses Jahr geworden. Im Gegensatz zu anderen Komponisten hatte er das Glück, schon zu Lebzeiten seinen verdienten Ruhm zu ernten; allerdings schaffte er es, wie so viele, leider nicht ins hohe Alter. In den 53 Jahren seines Lebens erschuf er trotzdem ein riesiges Œuvre, das von Balletten wie Schwanensee über Opern wie Eugen Onegin bis hin zu einer gewaltigen Fülle an Stücken für Klavier und Orchester reicht. Ein Klavierkonzert zu seinem Jubiläumsjahr zu spielen, stellt einen vor die Herausforderung, sich einen sehr kleinen Teil dieses Werkes herauszusuchen.
Eleonora Karpukhova, die, seit sie im Jahr 2000 am Konservatorium in Moskau ihr Klavierstudium abgeschlossen hat, mit Konzerten durch ganz Europa reist, entschied sich für drei Stücke, die die gesamte Schöpfungsperiode Tschaikowskys umfassen: Die Sonate Nr. 2 in cis-Moll von 1865 ist eines der Stücke, die während seines Studiums entstanden sind; das Ballett Der Nussknacker, von dem sie eine Klavierbearbeitung von Mikhail Pletnev spielte, entstand ein Jahr vor seinem Tod (1892).
Den Beginn macht die Pianistin allerdings mit den Jahreszeiten von 1875/76. In dieser Zeit lehrte und arbeitete Tschaikowsky in Moskau und war schon über die Grenzen Russlands hinweg als Komponist bekannt. Wer bei dem Titel an Vivaldis Vier Jahreszeiten denkt, wird überrascht sein, denn Tschaikowskys Jahreszeiten setzen sich aus den zwölf Monaten zusammen, die jeweils einen programmatischen Beinamen wie „Am Kamin“ (Januar) oder „Lied der Lerche“ (März) haben. Für einen Pianisten kann ein Stück, bei dem zwölf völlig verschiedene Stimmungen gefordert sind, eine Herausforderung sein; Karpukhova meisterte sie jedoch gekonnt: Von ihrem ersten Ton an schien sie das Klavier geradezu zu streicheln. Ihre Finger berühren kaum die Tasten, und genauso zart und leicht war auch der Klang, den sie erzeugten. Bis zum Mai war Karpukhovas Klang weich und zärtlich, selbst im Februar („Karneval“) wirkte ihr Spiel gedämpft; fast zu sehr konzentrierte sie sich auf den träumerischen Klang, den alle Stücke Tschaikowskys haben. Ab Juni jedoch ging die Pianistin mehr aus sich heraus, zeigte mit starkem Forte und präsentem Piano, dass die Epoche der Romantik viel mehr zu bieten hat als verträumte Melodien. Dem furiosen staccato im August folgte ein energiereiches „Jagdlied“ im September. Erst als der Oktober anfing, schien das Publikum wieder zu atmen, und so brauchte nach dem fröhlichen Dezember nicht nur die Pianistin eine kurze Pause.
Weiter ging es mit der Zweiten Klaviersonate, die erst 1900, nach Tschaikowskys Tod, gefunden und von einem seiner Schüler aufgeführt wurde. Sie beginnt völlig unvermittelt und laut mit einem Allegro con fuoco und wechselt im gesamten Stück ab zwischen intensivem Pianissimo und lautem Forte. Karpukhova scheute sich nicht vor dem Forte, ging aber damit nicht so frei um, wie es ein anderer Pianist vielleicht getan hätte. Man könnte auch sagen, sie übertrieb nicht, spielt nicht möglichst laut, um möglichst viel Effekt zu erzeugen. Sie brachte Emotionen in das Spiel, die zu viel Lautstärke oft übertönen würden.