Verwirrung auf allen Ebenen: Dass die von Wolfgang Amadeus Mozart und Lorenzo Da Ponte gezeichneten Figuren sich in Le Nozze di Figaro gegenseitig ganz gerne mal verwechseln, ist bekannt. Dass in Maximilian von Mayenburgs Inszenierung an der Oper Graz die Revolution, in Form einer übergroßen Guillotine, gar Spanien mit Frankreich verwechselt, um am Ende dem Adel den Garaus zu machen, ist neu.
Bis auf diese Schlusspointe jedoch entfaltet der Regisseur in seiner Deutung die Handlung wenig kontrovers und die Figuren ohne viel psychologischen Tiefgang, dafür aber mit einigem Slapstick. Ebenso harmlos präsentiert sich das strahlend weiße Barbie-Schloss, das mit seinen zwei Ebenen sowie verschiedenen Räumen und Treppen genug Platz für Intrigen und Versteckspiel bietet. Die Bühne ist dadurch allerdings an drei Seiten völlig offen, was der Akustik hörbar zum Nachteil geraten ist. Davon nicht aus der Bahn werfen ließ sich am Premierenabend glücklicherweise das großteils sehr gute Sängerensemble.
Ideal besetzt war das Hauptpaar des Abends mit Tetiana Miyus als Susanna und Peter Kellner als Figaro. Merkte man beiden zunächst die Premierennervosität noch an, spielten und sangen sie sich schnell frei und fanden zu wunderbarem Zusammenspiel und punktgenauem, komödiantischen Timing. Der titelgebende Figaro liegt Kellner perfekt in der Kehle, in allen Lagen ließ er seinen warm timbrierten Bass wendig und jugendlich frisch durch sämtliche Verstrickungen strömen. Dabei merkte man ihm den Spaß an der Rolle immer an, besonders etwa in seinem augenzwinkernd ironisch gestalteten „Non più andrai“. Sowohl Kellner als auch Miyus erweckten den Text – auch gerade jenen der Rezitative – regelrecht zum Leben, und zwar mit einer derartigen Selbstverständlichkeit, als ob sie sich eben immer in dieser Form unterhielten. Schon im ersten Akt blühte Miyus' kristallklarer Sopran herrlich auf, wobei sie sich im Laufe des Abends sogar noch steigern konnte und schließlich ihre Rosenarie so berückend interpretierte, dass das gesamte Publikum den Atem anzuhalten schien. Den vielen Facetten der Figur, von listig bis liebenswert, verlieh sie stimmlich und darstellerisch Ausdruck und wickelte so nicht nur ihren Figaro um den Finger.
Etwas unausgeglichener besetzt war hingegen das „hohe Paar“ der Handlung: In Melancholie getränkt wirkte das dunkle Timbre von Oksana Sekerina, was die Gefühlslage der Gräfin Almaviva wunderbar unterstrich. Ihre Stimme, die zweifellos über großes Volumen verfügt, drosselte sie merkbar zu eleganter Zurückhaltung in den Ensembles, die generell von großer Harmonie geprägt waren. In einen Moment ehrlichster Aufrichtigkeit inmitten des Intrigenspiels verwandelte Sekerina das „Dove sono“, das dank ihrer innigen Gestaltung zum emotionalen Höhepunkt des Abends wurde. Nicht ganz mit dem rund um ihn herrschenden vokalen Niveau mithalten konnte an ihrer Seite leider der Graf Almaviva von Markus Butter, der mit der mozartschen Gesangslinie oft zu kämpfen hatte und dessen Stimme trocken und angestrengt wirkte. Unterhaltsam war hingegen seine Darstellung des blasierten Grafen, der sich am Ende reumütig eingestehen muss, dass es an der Zeit ist, um Vergebung zu bitten.