Startschwierigkeiten hatte an diesem Abend in der Bayerischen Staatsoper nur das Auto: Piotr Beczała, respektive Sir Edgardo di Ravenswood, sollte am Ende des ersten Akts von Gaetano Donizettis Lucia di Lammermoor eigentlich lässig von dannen fahren, starten ließ sich der Oldtimer allerdings (zur großen Belustigung des Publikums) erst nach dem beherzten Eingreifen eines Technikers. Von Anfang an auf Betriebstemperatur war hingegen die Hausdebütantin Adela Zaharia, die für die erkrankte Diana Damrau eingesprungen war.
Die rumänische Sopranistin, die im vergangenen Sommer den renommierten Operalia Wettbewerb gewonnen hatte, ließ sich kein Nervenflattern anmerken, sondern zog vom ersten Ton an völlig in ihren Bann. Die Stimme verfügt nicht nur über ein interessantes Timbre, das dunkler und samtiger ist, als man es von Sängerinnen im Koloraturfach gewohnt ist, sondern auch über eine voluminöse und satte Mittellage bei strahlenden Höhen. Zaharias Lucia Ashton war dabei darstellerisch weniger resolut und stimmlich verletzlicher, als Damrau sie in der Premierenserie dieser Inszenierung verkörpert hatte, konnte dadurch in ihrem ausweglosen Schicksal aber noch mehr anrühren. Elegant und mühelos wie eine Seiltänzerin bewegte sich die Stimme in den entrückten Glasharmonika-Sphären der Wahnsinnsszene und das Publikum schien beinahe den Atem anzuhalten, um den schwebenden Moment in keinem Fall zu zerstören. Dabei sang sie nicht nur makellos, sondern hauchte der Figur zunächst glaubwürdiges Leben, und später ebenso ehrlichen Wahnsinn, ein.
In ihrem Glitzerkleid wirkte sie außerdem wie aus einem Film der Glanzära Hollywoods entstiegen; schwer vorstellbar, dass in dieser Inszenierung jemals eine Lucia mondäner wahnsinnig werden wird. Ebenso stimmte die vokale Harmonie mit ihrem Bühnenpartner Piotr Beczała ausgezeichnet, die beiden Stimmen verbanden sich im Duett des ersten Akts zu einer wunderbar strömenden Einheit aus Wohlklang. Beczała konnte dann aber vor allem nach der Pause in seiner großen Arie mit tenoralem Schmelz und leuchtend warmen Spitzentönen auftrumpfen, im ersten Teil des Abends gerieten ihm manche Passagen, obwohl technich stets einwandfrei, ohne das letzte Fünkchen Glanz. War er in der Vergangenheit, wenn ich ihn auf der Bühne erlebt habe, auch manchmal blass im Spiel gab er in dieser Vorstellung den unglücklichen Edgardo darstellerisch äußerst engagiert und überzeugend sowie mit vollem Körpereinsatz.