Das Mariinsky 2 ist das teuerste Opernhaus der Welt und in seiner eleganten Schlichtheit auch wirklich außergewöhnlich. Die gesamte Architektur ist der bestmöglichen Akustik untergeordnet, und wie gelungen dieses Projekt ist, davon konnte man sich bereits überzeugen, als das Orchester die ersten Töne spielte. Eigentlich die besten Voraussetzungen für diese Traviata.
Leider störten im ersten und zweiten Akt merkwürdige Geräusche die Vorstellung. Sie kamen eindeutig von der Bühne und klangen in etwa so, als ob man sich telefonierend Lautsprechern nähert, und somit die Frequenz stört, was ein ungutes Knacken zur Folge hat. Worin die Geräusche ihren Ursprung hatten, lässt sich nicht klären, Fakt ist aber, dass sie unangenehm anzuhören waren. Einzig im dritten Akt konnte man die Musik frei von jeglicher Störung genießen, was den Gesamteindruck dieser Vorstellung doch stark beeinträchtigte.
Die Inszenierung von Charles Roubaud ist klassisch, unspektakulär und schön anzusehen, aber, vor allem wenn man andere, gelungene moderne Interpretationen kennt, auch etwas langweilig. Die Personenführung beschränkt sich meist auf Händeringen, Herumstehen, über die Bühne schreiten und betretene Blicke. Einzig die letzte Szene, in der Violetta einsam stirbt, während die weißen Vorhänge rund um ihr Bett fallen, nachdem alle Anwesenden den Raum verlassen haben, ist sowohl optisch als auch dramatisch von großer Wirkung.
Das Dirigat von Mikhail Sinkevich begann vielversprechend – die Ouvertüre klang herrlich melancholisch und ließ Violettas unglückliche Schicksal vorausahnen. Ebenso gelungen das Vorspiel zum dritten Akt, mit herzzerreißenden Streichern. Interessant, wenn auch nicht unbedingt im positiven Sinn, war hingegen das Tempo bei Germonts „Di Provenza“. Offenbar hatte Mikhail Sinkevich es sehr eilig, in die Provence zu kommen, so schnell wurde die Arie durchgepeitscht. Ansonsten verhielten sich Dirigent und Orchester höchst unauffällig. Sie begleiteten die Sänger gut, aber ohne besondere Akzente zu setzen. Wünschenswert wäre mehr Sanftheit und Emotion in den Duetten zwischen Violetta und Alfredo gewesen, und mehr Dramatik zwischen Germont und Violetta. Auch die brodelnde Stimmung vor Violettas „Amami Alfredo“ ging leider völlig verloren, ebenso der stürmische Ausbruch.
An diesem musikalisch leider nur durchschnittlichen Abend konnten die sängerischen Leistungen weit mehr überzeugen, allen voran Maria Bayankina als Violetta. Mit wunderbar slawischem Timbre meisterte sie die Koloraturen des ersten Akts sehr sauber. Positiv fiel auf, dass sie gar nicht erst versuchte, das „Sempre libera“ mit dem, von Verdi gar nicht komponierten, hohen Es zu beenden, das, zumindest meiner Meinung nach, in die Kategorie „unnötige Angeberei“ fällt. Schon im ersten Akt durfte man vermuten, dass Bayankina in den dramatischen Passagen des zweiten und dritten Akts noch mehr überzeugen würde, als im ersten Akt. Genau das war dann auch der Fall – von Szene zu Szene steigerte sie sich, die Stimme war von Piano bis Forte immer schön geführt, nie angestrengt, keine Spur von störendem Vibrato. Besonders berührend, neben einem sehr verzweifelten „Addio del passato“, war das Aufflackern der Hoffnung bei Alfredos Erscheinen. Auch darstellerisch begnügte sie sich nicht mit bloßem Rampensingen, sondern hauchte Violetta mit kleinen Gesten und Körpersprache Leben ein. An einem Abend mit überzeugenderer Leistung aus dem Graben hätte Maria Bayankina sicher das Zeug zu einer grandiosen Violetta!