Mit dem Gitarrenkasten in der einen und der schwarzen Tasche in der anderen Hand schlendert Jonas Kaufmann wie ein schlecht gebuchter Provinzmusiker über die Bühne. Im dunklen Hinterraum erahnt man schemenhaft Betonbauten, im Vordergrund reckt sich ein klappriges Gerüst gen Himmel. Lässig dreht sich der Tenor eine Zigarette und lehnt dabei an einen rüstigen Minitransporter. Doch schon nach den ersten Takten wird klar: die Bayerische Staatsoper inszeniert Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg als fulminantes Sängerfest und weniger als ideenschwangeres Politdrama.
Wir befinden uns irgendwo im nirgendwo. Ist es wirklich Nürnberg? Welches Jahr? 1960? Kurz nach dem Krieg? Oder doch später? Eigentlich egal. Die Oper in drei Aufzügen hätte langatmig, ja fast langweilig werden können, doch David Bösch legt den Fokus über die gesamten viereinhalb Stunden ganz klar auf Orchester und Sänger. Akzente setzt er selten, dann aber bewusst, etwa wenn Hans Sachs die Marmorbüste von Richard Wagner mit ein paar Spritzern Glasreiniger aufpoliert. Ansonsten verzichtet der in Lübbecke geborene Regisseur vollkommen auf politisierende Elemente, hinterfragt nichts. Die Bühne, mit ihrem abgewrackten Betongoldcharme, bleibt reine Staffage. Ab und zu rieselt ein bisschen Glitzer belanglos von der Decke, ein paar bunte Lichter von der letzten Gartenparty blinken eher müde und selbst die spärliche Pyrotechnik ist kindertauglich. Mehr noch: Zur Ouvertüre bleibt der schwarze Vorhang sogar geschlossen.
Diese reduzierte Herangehensweise kann sicherlich kritisiert werden. Gleichwohl erlaubt sie dem Zuhörer so, sich vollständig auf Kirill Petrenkos meisterhaftes Dirigat zu konzentrieren. Im forschen Tempo legt sich das majestätische Wummern der Bläser sanft über das Unisono der Streicher. Pompös schillern die Klänge des Bayerischen Staatsorchesters in allen ihren Facetten durch das abgedunkelte Auditorium – mal feinsinnig, mal überbordend und immer beschwingt. Petrenko beweist an diesem Abend wieder einmal, mit welchem unfehlbaren Gespür er dem Orchester verschiedenste Ausdrucksebenen entlocken kann.
Doch nicht nur die Musiker stachelt der Generalmusikdirektor von seinem Pult aus zu Höchstleistungen an, auch der Rest des Ensembles wird durchweg gefordert. Okka von der Damerau kann als Magdalena von der ersten Minute an punkten. Lässig, sinnlich, jugendlich – ihr klarer Sopran verzückt nicht nur das gesamte Publikum, sondern insbesondere Sachsens Lehrbub David. Der wird an diesem Abend von Benjamin Bruns mit unglaublicher Strahlkraft und fabelhafter Souveränität gespielt. Ähnlich überzeugend ist Markus Eiche. Im glitzernden Disco-Ära-Anzug zeichnet er den Sixtus Beckmesser als gescheiterte Existenz und nur selten als plumpe Lachnummer.