Mittlerweile ist Herbert Blomstedt der Doyen unter den großen Dirigenten geworden. Seine Auftritte gehören in jedem Orchester der Welt zu den Ausnahmekonzerten. Und wenn der so vitale wie geistesgegenwärtige Dirigent, der in Bamberg den Spitznamen „Duracell“ trägt, weil seine Energie scheinbar nicht versiegt, die Berliner Philharmoniker dirigiert, spielt das Orchester mit der A-Mannschaft: Stefan Dohr, Albrecht Mayer, Andreas Ottensamer und Ludwig Quandt, um nur einige zu nennen.
Bei Mozartks Klavierkonzert Es-Dur, KV482 wollte ich mich am Anschlag des Solisten Leif Ove Andsnes nicht satt hören. Andsnes griff wie von außen in das Geschehen ein, exponierte als Eingang aber nur scheinbar ein neues Thema, weil sich die Girlanden dann doch „nur“ als die Begleitung des dann erneut vom Orchester vorgetragenen Ritornellthemas entpuppten. Blomstedt und Andsnes harmonierten bestens und hatten im ganzen Werk ihre helle Freude daran, überleitenden Abschnitten thematische Signifikanz zu geben die sie dann in Begleitfiguren auflösten. Zum Höhepunkt wurde das unaufdringlich und schlicht musizierte Andante, weil es allen Aufführenden gelang, nicht allein das gedämpfte Thema in all seiner Trauer zu zelebrieren, sondern die lichte Serenade des ersten und die kleine Concertante für Flöte, Fagott und Streicher in C-Dur des zweiten Couplets als einen nur vergeblichen Trost zu interpretieren. Der letzte Satz atmete zu Recht eine gewisse Routine, die der Komponist diesem Chasse-Rondo mitgegeben hat. Unterbrochen wurde diese Musizierlust durch eine unvermutet eintretende Episode, in der wie von ferne ein serenadenartiges, menuetthaftes Andantino cantabile erklang.
Bei Bruckners Vierte Symphonie ist es nur in den höchsten Tönen zu loben, wie es Blomstedt und den Berliner Philharmonikern gelang, dieses so häufig aufgeführte Stück so zu spielen, als erklänge es zum ersten Mal. Vom ersten Takt an wurde Bruckners Zergliederungssatz, in dem der Komponist die Motive in ständig neue Zusammenhänge gebracht und entwickelt hatte, so spannend wie fesselnd dargeboten. Auf die Höhepunkte stürmte das Orchester nie hastig drauflos. Keinmal entlud sich ein durch Drängen erzeugter Druck oder künstlich erzeugte Mühe, vielmehr gelang das Fortissimo stets intensiv volltönend und nicht dröhnend-dumpf. Im langsamen Satz hüteten sich Dirigent und Orchester vor falscher Larmoyanz und wussten präzise die Helligkeitsgrade so auszuleuchten, dass tatsächlich erst das Ende des Satzes wirklich strahlte, während das ihm vorausgehende Fortissimo demgegenüber noch wie abgeschattet klang. Das sind interpretatorische Meisterleistungen, die deutlich machten, dass Blomstedts Kunst, wie die aller ganz Großen, nicht allein in seinem durch Erfahrung gesättigten Handwerk begründet ist. Das Jagd-Scherzo wurde mit all seiner Virtuosität aufgeführt und im Ländler-Trio geradezu schubertisch musiziert.