Die Orchestergesellschaft Zürich versteht sich selbst als „ambitioniertes Amateur-Sinfonieorchester". Zur Feier des 70-jährigen Bestehens hat sich die Dirigentin Olivera Sekulić ein anspruchsvolles, reines Tschaikowsky-Programm vorgenommen.
Es ist keine leichte Aufgabe, den Auftritt eines Amateur-Orchesters (wohlgemerkt: Amateure, keine Laien!) zu rezensieren. Zwar stellt sich das Ensemble durch den Auftritt in der Tonhalle dem Vergleich mit den „Großen", anderseits ist im Vornherein klar, dass es deren Standard nie erreichen kann und wird. Deshalb versuche ich hier meine persönliche Sicht als Hörer darzustellen.
Die Polonaise aus Eugen Onegin – sicher besonders sorgfältig geprobt – ist ein sehr effektvolles Eröffnungsstück. Es war gelegentlich vielleicht eher handfest, in der Koordination nicht immer ganz trennscharf. Aber die Musik ist populär, schwungvoll, rhythmisch mitreißend, die Aufführung insgesamt von beachtlicher Qualität, speziell mit guten Bläsersoli: ein ausgezeichneter Beginn!
In der Folge spielte der Cellist Benjamin Nyffenegger Tschaikowskys Rokoko-Variatonen, in der geläufigen Version von W. Fitzenhagen. Leider, muss man sagen, denn der Komponist war mit Fitzenhagens teils gravierenden Eingriffen (Umstellungen und Weglassen einer Variation) gar nicht einverstanden. Die Rolle des „Revisors" wird im Programmheft wohl erwähnt, aber der Text stellt sich, verständlicherweise, kritiklos hinter Fitzenhagens Standpunkt und erwähnt keine Reaktion des Komponisten. Man sollte jedoch nicht vorschnell kritisieren: zum einen ist die gespielte Version immer noch gängige Praxis, zum anderen kann die Beschaffung des Notenmaterials für das Orchester in der Entscheidung mitgespielt haben.
Tschaikowskys umsichtiger Orchesterdisposition ist es zu verdanken, dass das Solo mit seinem warmen, singenden Klang von der ersten Note weg Präsenz markiert, gar die Szene dominiert, das Orchester zur reinen Begleitung degradiert. Nyffenegger hat mit dem anspruchsvollen Cellopart technisch keinerlei Probleme, er artikuliert leicht, aber dennoch mit intensivem Ton, behält Kontakt mit der Dirigentin. Das Orchester folgt der Agogik, dem Rubato des Solisten meist gut, auch wenn einige starke Beschleunigungen im Solo eine Herausforderung sind. Gelegentlich zeigt der Solist eine gewisse Tendenz zu tiefer Intonation, und die virtuose Coda gerät etwas summarisch.
Nach der Pause folgte der „Hauptbrocken" des Programms, die Symphonie Nr. 5 in e-Moll. Von Beginn an traf das Orchester die Grundstimmung, den Charakter des anspruchsvollen Werkes gut: Olivera Sekulić ist mit dieser Musik vertraut, führte den Klangkörper sicher. Speziell liegen ihr die tänzerischen, schwingenden Momente, sie achtete auf die Gesangslinien, auf das Legato in den lyrischen Passagen. Die Koordination bei den Pizzicati war ausgezeichnet, die Streicher generell gut, homogen. Ein Vorteil derartiger Formationen ist, dass ein Konzertprogramm über Monate geprobt wird, die Aufführung so mit begrenztem Risiko verbunden ist. Restriktionen bestehen am ehesten im Bereich der Agogik: Details wie kleine Verzögerungen vor Höhepunkten lassen sich hier nur begrenzt realisieren. Ich fand die Dynamik gegen unten limitiert: da extremes Pianissimo heikel ist, wurde daraus oft ein mp, wenn nicht gar mf. Noch mehr gefordert sind aber die häufig extrem exponierten Bläser. Ein besonderes Lob gebührt hier dem ersten Hornisten, der sorgfältig und klangrein artikulierte, schön phrasierte, unter anderem im Solo des langsamen Satzes. Auch andere erste Bläserstimmen zeigten ausgezeichnete Leistungen. Bei den übrigen Bläsern war die Intonation gelegentlich gefährdet, vor allem im Zusammenklang (beispielsweise zu Beginn). Tendenziell waren die Bläser in Begleitpassagen eher laut.