Was für Bach, Beethoven, gar Ravel und Strawinsky selbstverständlich ist, gilt für Saint-Saëns nicht so ohne Weiteres: ein Konzertabend allein bespielt mit seinen Werken. Auch in Frankreich ist das eine Ausnahme, erst recht also in deutschen Institutionen. Als solche wagte das Kölner Gürzenich-Orchester Köln unter seinem Chef François-Xavier Roth ein derartiges Portrait, das den Komponisten als Pianisten, Organisten und Symphoniker biographisch vorstellte. Demnach bot sich ein abwechslungsreiches Programm, das nicht nur den Vorstellungen von Spezialisten entsprach, sondern auch den neugierigen Konzertbesuchern, die teils auf Anhieb vielleicht nur den pittoresken Karneval der Tiere mit dem Komponisten verbanden.
Der meldet sich sogar im orchestergefassten Danse macabre zu Wort, quasi en miniature. Darin verkörpern die unterschiedlichen Instrumente des farblichen Stimmungsapparates allegorisch mit dem melodisch-thematischen Zitat die niedergeschriebene Szenerie der nächtlich auf ihren Gräbern tanzenden Skelette. Diese erzählte Roth mit dem Orchester so transparent, drahtig, streng und expressiv, dass die düstere, gespenstische Veranstaltung tatsächlich greifbar und die erzeugten Bilder plastisch wurden. Uhrwerkgetreu, hart, mechanisch schlug die Harfe Mitternacht und pünktlich erhob sich der Tod mit den Pizzicati der Celli und Kontrabässe aus der tiefen Stille, um dynamisch gesteigert in den schroff-schaurigen verminderten Akkorden der Solovioline seine imperative Stimme zu finden.
Dem Aufruf folgend betappste stark akzentuiertes Holz die Friedhofsparzellen, wobei das erstmals in der symphonischen Dichtung eingesetzte Xylophon kokett die Knochen rasseln ließ und bedrohlich-kräftige Bleche und Pauken die pointiert-satte Festlichkeit dieses makabren, unwirklichen Reigens verbreiteten. Mit dem ausgehenden, eisigen Wind flirrender Streicher hatte der Spuk sein passendes Ende. Schon durch diese erste klare Zurschaustellung seines Einfallsreichtums, seiner Farbigkeit und, ja, Avantgarde waren die Vorurteile Saint-Saëns zeitgenössischer und noch heutigen Kritiker eindrucksvoll widerlegt.
Dramatisch und farbenprächtig blieb es im Klavierkonzert Nr. 5. Jean-Francois Heisser ließ ohne optische Ausbrüche Hände und Tasten sprechen und erstellte so mit dem Orchester einen orientalischen, sinnigen Abzug Ägyptens, der unterschiedliche Stimmungen einfing. Mit bewundernswert ernster, aber befreiter Lässigkeit und stoischer Exaktheit stellte er sich in den Dienst des Komponisten und dessen purer Aussagekraft und Eigenwilligkeit in Form und Person von Struktur und pianistischem Können. Der organische, orchestral integrierte Part, geprägt von dauernden Läufen, kurzen Kantilenen und den sich anpassenden, wechselnden Motivvorgaben beziehungsweise -übernahmen, vermittelte spannend, von geheimnisvoll bis löslich, die lebendige Bedeutung des Nils. Phrasierte Wellen des Orchesters – in französischer Tonsprache sehnig und straff – sowie transparente, rhythmisch entgegengesetzte Durchfahrungen mit dem Holz flossen im ersten Satz in dieses Bild mit ein.
Ganz speziell zeigte sich die besondere Handschrift im Mittelsatz, bei der im Andante nicht nur kurz Gedanken von einem möglichen, bedrohlichen Stillstand der natürlichen Lebensader in den Kopf schossen, sondern auch melodische Anklänge an eine äußerst bekannte Bach-Toccata den Blick auf die Orgel vorauswarfen. Individuell vielleicht noch zu exotisch malte das Allegretto tranquillo aber gewiss seidig-luftige Orientmuster, die Heisser markant und mit spitzer Nadel fertigte.