Alban Gerhardt ist mehr als nur ein leidenschaftlicher Musiker besonderer Klasse. Er zeigt auch ein außergewöhnliches gesellschaftliches Engagement. So spielt er regelmäßig in Schulen, Krankenhäusern und Einrichtungen für jugendliche Straftäter, aber auch auf den Hauptverkehrsstrecken der Deutschen Bahn, um damit traditionelle Erwartungshaltungen an klassische Musik zu hinterfragen. Darüber hinaus hilft er selbst aktiv Flüchtlingen und setzt sich seit zwei Jahren mit einer Gruppe von Musikerkollegen auch für ein vereintes und demokratisches Europa ein.
Zu Gast beim WDR in der Kölner Philharmonie hielt er die Augen beim Spielen die meiste Zeit geschlossen. Der Klang, den er auf seinem italienischen Cello erzeugte, war auch bei leisen Passagen klar und deutlich wahrnehmbar. Gerhardt gab den düsteren Melodien in Schostakowitschs Zweitem Cellokonzert kein übertriebenes Pathos, er verflachte diese aber auch nicht, indem er der in diesem Werk durchaus anwesenden Ironie zu viel Aufmerksamkeit schenkte. Sein Spiel ging unter die Haut, weil er jeder einzelnen Note die ihr gebührende Aufmerksamkeit schenkte und dadurch dem Menschen Schostakowitsch (eindringlich beschrieben bei Julian Barnes in The noise of time) so eine Stimme verlieh. Schon die ersten Solotöne mit denen das Largo begann, klangen auf eine sehr persönliche Art schmerzvoll. Hier klagte ein zutiefst verletzter Künstler sein Leid von Rechtlosigkeit und politischer Ausbeutung. Das Cello weinte geradezu, die häufigen Melodiesequenzen sanken seufzend von den oberen Registern nach unten. Die tänzerisch schnellen Passagen waren dagegen erfrischend klar artikuliert und wurden vom WDR Sinfonieorchester unter ihrem Chefdirigenten Jukka-Pekka Saraste feinsinnig begleitet.
Die Kadenz dieses Satzes erinnerte an die des Violinkonzertes von Beethoven. Gerhardt wurde bei diesem Schostakowitsch jedoch weniger begleitet, sondern von der großen Trommel immer wieder brutal unterbrochen. Die Fortissimoschläge vertonten eine aggressive Gewalttätigkeit, der man sich schutzlos ausgeliefert fühlte. Auch das kleine Schlagzeug spielte im Weiteren eine symbolische Rolle. Mit fein ineinander verhaktem Rhythmus erinnerte es an ein Räderwerk alter Maschinen, welches unbarmherzig seine Runden drehte und sich selbst vom gefühlvollen Pizzicato des Solisten nicht erweichen ließ. Und so endete auch der letzte liebevolle Celloton abrupt und schnörkellos. Zwar hatte Gerhardt sich nach wiederholter Tuttigewalt des von Saraste wütend aufgepeitschten Orchesters immer wieder aufgerafft zu singender Melodik, aber Schostakowitsch hatte bewusst kein optimistisches Ende gewählt. Zu seinem 60. Geburtstag besaß er den Mut zu unangepasster ehrlicher künstlerischer Selbstbestimmung und gegen eine staatlich erzwungene kommunistische Kunstauffassung zu sein.