Nach der Wiederbelebung des European Union Baroque Orchestra Ende 2022, ersten Tourneen 2023 und Projekten in neuen Städten vornehmlich in Italien, knüpft es auch 2024 weiter an alte Bande an. So nun beim Forum-Artium-Festival Musica Viva im Osnabrücker Land, bei dem es in 34. Ausgabe nach 35 Jahren zum 10. Mal vorbeischaute. Diesmal eben, um persönlich „Hallo, da sind wir wieder“ zu sagen, hatte das EUBO zuvor im Kloster Michaelstein, das als mitteldeutsche Brüder-im-Geiste-und-Handeln-Bastion für historisch informierte Barockmusik langjähriger Aufführungs- und Rekrutierungspartner war, sein neuerliches „Debüt“ in Deutschland gegeben. Mit den dort herkünftlichen oder aus der Nähe hochgehaltenen Giganten des „Gemischten Styls“ schlechthin, Georg Philipp Telemann und Johann Sebastian Bach.
Die Leitung oblag dabei Alfredo Bernardini, der nicht nur früher unter künstlerischer Direktion seines befreundeten Kollegen Lars Ulrik Mortensen, schließlich auch beim Wiedereinsetzungskonzert als Dirigent des EUBO sowie Auditionsleiter des ersten Durchgangs 2023 fungierte, sondern zudem Mitglied des allerersten Ensembles 1985 war. Es ist quasi ein musikalisches Kind für ihn, mit dem er lebenslang so verbunden ist wie speziell auch mit den Noten Telemanns, scheint doch der Schalk des Komponisten ebenfalls in seinem Nacken zu sitzen. So ist es dessen interpretatorische Heimat, die Unterhaltungsmusik nicht zu bierernst, dafür aber die Sprache des Effekts, der Artikulation und Dynamik der einzelnen Stimmen sowie mittels Betonung explizit die des Tanzes ganz genau zu nehmen, um bleibende Erinnerung zu stiften und in Kommunikation zwischen ausführenden Musikern und erfreut zuhörendem Publikum zu treten.
Begonnen bei Telemanns Ouverture-Suite, TWV 55:C6 im französischen Stil in streng chorischer Barockaufstellung, in der sich im Sternenkreis der über dem EUBO bei jedem Konzert thronenden Europaflagge das lächelnde Antlitz Telemanns abzuzeichnen schien, derart spritzig, rhythmisch konturiert und genüsslich betont, dabei selbstsicher, resolut und gelassen auftretend ließen Ensemble und Bernardini einen frischen Wind durch die Gemäuer wehen. Nicht fehlen durfte darin manch agogischer Zusatztwist und Bernardinis gerne und häufig eingesetztes Mittel, die Oboe wie ihre Vorgänger der Schalmei als Trompetenersatz mit größerer Schalltragung des Trichters nach oben zu recken. Besonders passend natürlich bei Telemanns sätziger Bourrée en trompette und späterer Bach-Suite. Gleichzeitig kam das Delikate, Ehrwürdige, Weiche und Aparte nicht zu kurz, sondern vereinigte sich komplementär in absolut staunenswert abgezockter, wacher Klanglichkeit eines wie seit eh und je zusammenspielenden EUBO.
Für den italienischen Stil wechselte das Orchester seine Aufstellung zur antiphonen; mit dem Ergebnis einer füllig ausgeglichenen Balance, die in Telemanns Oboenkonzert in c Bernardini in seine Mitte nahm. Dort blies er seine typisch markant geraden, beinahe enervierend reizenden Töne genauso gekonnt wie die unscheinbar wirkenden kleinen Notenwerte in den schnellen Sätzen oder die warmen Schmeicheleien in den langsamen. Klanglich und dialogisch in eine wahre Concerto-Dramaturgie eingebettet war er dabei vom EUBO, das die unterschiedlich einfallsreich und showmäßig aufgewerteten Kadenzfermaten in pure Überraschung verwandelte. Kultig zudem, dass sich Bernardini zu Bachs Sinfonia der Kantate BWV75 auf der Kanzel der Bergkirche versteckte, um beim Einsatz wie Kai aus der Kiste mit kyriehaftem Predigerton an seinem Instrument und den vorzüglichen EUBO-Oboen Laura Hoevens und Sidonie Millots auf den vorderen Balkonen den Choral zu singen.