Aufgewärmtes schmeckt selten so gut wie das Original: Was fürs Essen gilt, gilt leider auch oft für außergewöhnliche Opernproduktionen. Als Peter Konwitschnys Inszenierung von Giuseppe Verdis La traviata 2011 in Graz ihre Premiere hatte, stimmte einfach alles – eine gute Besetzung, ein packendes Dirigat und allen voran eine unglaubliche Singschauspielerin in der Titelrolle. Wie akribisch in den Details, unkonventionell in der Reduziertheit und packend in der Dramaturgie der Regisseur damals seine Sicht auf die Geschichte auf die Bühne brachte, war beeindruckend. Leider ist fünf Jahre später in der Wiederaufnahme nicht mehr viel davon übrig.
Geblieben ist eigentlich nur die bis auf einen Stuhl und viele Vorhänge leere Bühne, auf der die Sänger an diesem Abend gefühlt über weite Strecken von der Wiederaufnahmeleitung völlig allein gelassen wurden. Einige Elemente der Premierenserie, etwa dass Violetta während des „Sempre libera“ vom Stuhl kippt, wurden zwar formell übernommen, wirkten aber seltsam deplatziert angesichts der Tatsache, dass man ansonsten eine in der Personenführung recht traditionelle Traviata (nur eben ohne Bühnenbild) zu sehen bekam. So haperte es szenisch nicht nur an einer einheitlichen Linie sondern auch an der Spannung, die die Inszenierung einst ausmachte.
Fast schien es, als hätte sich das Orchester unter der Leitung von Andrea Sanguineti davon anstecken lassen, denn die ganze Vorstellung hindurch war der Orchesterklang ungewohnt inhomogen im Zusammenspiel. Da waren die Flöten hin und wieder eine Spur zu flott, die Streicher etwas zu leise und der große Spannungsbogen wollte sich auch nicht so recht einstellen. Irgendwie blieb der Eindruck eines Verdi auf emotionaler Sparflamme. Auch war die Feinabstimmung zwischen Orchester und Bühne nicht immer ganz lupenrein, vor allem was Fragen der Dynamik anging. Obwohl sich die Sängerriege Mühe gab, den Abend durch stimmliche Qualitäten aufzuwerten, zog sich leider das Problem der fehlenden Spannung wie ein roter Faden durch die Vorstellung.
Vom Partygirl auf exzessivem Selbstzerstörungstrip im ersten Akt und von der sich später an Leben und Liebe Klammernden merkte man stimmlich bei Anna Princevas Violetta wenig. Ein bisschen zu brav wirkten beispielsweise die Koloraturen, die sie zwar blitzsauber ablieferte, denen aber die Ekstase fehlte. Auch in der Konfrontation mit Giorgio Germont im zweiten Akt blieb die Stimme zwar perfekt kontrolliert, schaffte es aber eben dadurch nicht, Violettas Verzweiflung auszudrücken. Schade, denn zu welch rohen Gefühlsausbrüchen ihre süßlich-herb timbrierte Stimme fähig ist, zeigte sie erst gegen Ende des dritten Akts, als Violetta verzweifelt versucht, dem Tod doch noch zu entrinnen. In diesen letzten Minuten war auch Princevas Spiel plötzlich um einiges überzeugender als zuvor.