Ferne Galaxien, unbekannte Weltraumweiten und außerirdisch anmutende Gestalten – Dirk Schmedings Inszenierung Rimsky-Korsakows selten aufgeführter Oper Der unsterbliche Kaschtschei lässt das russische Volksmärchen viele Lichtjahre entfernt im Weltall auf einem kargen Meteoriten stattfinden. Er nutzt die Universalität und Zeitlosigkeit dieses Märchenstoffs und entführt den Zuschauer auf eine ebenso unterhaltsame wie auch berührende Reise fernab der Erde.
Der unsterbliche Kaschtschei erzählt die Geschichte des bösen Zauberers Kaschtschei, der seine Seele in die Tränen seiner ebenso kaltherzigen Tochter gebannt hat, um dem Tod zu entgehen. Denn nur, wer die Kaschtschejewna zu Tränen rührt, vermag dem Kaschtschei ein Ende zu setzen. Während die Prinzessin Tausendschön, vom Kaschtschei gefangen gehalten, sich schmachtend nach ihrem Retter, dem Prinzen Iwan, sehnt, versucht dieser den Fängen der Kaschtschejewna zu entkommen. Die erotisch aufgeladene Tochter lockt ihre Opfer in die Falle, ihr Vater zeichnet sich hingegen durch sexuelle Frustration aus – ein interessanter wie bitterer Gegensatz. Dirk Schmeding spielt hier bewusst mit verschiedenen Klischees, überdrehten Gesten und erzählt das russische Märchen auf amüsante Weise mit einem Augenzwinkern.
Unterhaltsam parodiert die Produktion diverse, schlecht gealterte Science Fiction- und Fantasy-Filme der Achtziger Jahre, wie beispielsweise die unverkennbaren Kostüme aus Clive Barkers Hellraiser oder Flash Gordon mit seinen imposanten Weltraumkulissen, aber auch der heute lächerlich wirkenden Handlung mit seinen überdrehten Charakteren. Diese Fantasywelt mit seinen Retro-Weltraumvisionen versetzen die Zuschauer in eine Zeitreise und verwandeln die Oper in ein wahres Kinoerlebnis.
Das kreative Team bestehend aus Martina Segna (Bühne), Frank Lichtenberg (Kostüme) und Johannes Kulz (Video) liefert hier ganze Arbeit ab und schafft ein überaus originelles Gesamtkunstwerk, das an Kreativität, Detailtreue und handwerklichem Geschick kaum zu überbieten ist.
Die gesanglich beeindruckendste Leistung bescherte Ieva Prudnikovaite. Die Mezzosopranistin verkörperte die Kaschtschejewna mit furchteinflößender Überzeugungskraft. Als männerverschlingende, gefühlskalte Tochter des Kaschtscheis ging sie ganz in der Rolle auf. Ihre dramatische Stimme war frei von Vibrato und erklang klar und durchdringend. Der Tenor Riccardo Botta mit seiner hellen, tragenden Stimme und sicheren Höhen wusste auch darstellerisch als grimmiger und eigenbrötlerischer Kaschtschei zu überzeugen. Das Prinzenpaar, gesungen von Tatjana Schneider und Shea Owens, demonstrierte ebenfalls das stimmlich hohe Niveau des Theaters St. Gallen.
Rimsky-Korsakows Musik mit ihren bewegenden slawischen Melodien aber auch ebenso wild ausufernden Passagen spielte das Orchester beeindruckend differenziert. Sowohl mit angemessener Zurückhaltung aber auch aufbrausender Präsenz wusste Dirigent Modestas Pitrenas sein Orchester durch die mitunter recht diffizilen Passagen zu führen. Die Musik der Oper fügt sich geradezu wie eine Filmmusik, das dramatische Geschehen musikalisch ideal untermalend, auf der Bühne ein.