Woher taucht eigentlich Tamino so plötzlich auf? Warum ist Sarastro blind? Und trägt die Königin der Nacht ein Kopftuch? Mariame Cléments Inszenierung spart nicht mit Rätseln, optisch dominiert in der wiederaufgenommenen Zauberflöte an der Oper Graz düstere Endzeitstimmung.
In einer öden, verdorrten Graslandschaft haust Papageno in einem Flugzeugwrack, die von ihm gefangenen Vögel bewahrt er in Plastiksäckchen auf, nachdem er sie getötet hat. Tamino wird gleich von mehreren projizierten Schlangen verfolgt; die Königin der Nacht kriecht aus einem Erdloch und bringt statt flammenden Sternen Regen mit sich. Der zweite Akt spielt sich in einem holzgetäfelten, nicht näher definierbaren Labor ab; Sarastros Männerbund macht dabei eher einen dubiosen denn erleuchteten Eindruck. Insgesamt erinnert die ganze Szenerie mehr an eine Dystopie als an ein Märchen. Das trostlose Bühnenbild und die teils sehr unvorteilhaften Kostüme konnten mich gar nicht überzeugen - ich hätte mir doch ein bisschen mehr Zauber gewünscht, und einiges an dieser Inszenierung hat sich mir nicht erschlossen. Eine ansprechende musikalische Umsetzung könnte sicher über die Inszenierung hinwegtrösten, in dieser Vorstellung gelang das jedoch leider nicht.
Unter der Leitung von José Miguel Esandi fehlte es dem Grazer Philharmonischen Orchester den ganzen Abend über an Leichtigkeit, Schwung und Esprit. Die Tempi waren oft auffällig schleppend, richtiggehend zäh wurden dadurch besonders die beiden Arien von Papageno sowie sein Schlussduett mit Papagena. Die Interpretation gestaltete sich außerdem wenig differenziert, so war etwa kein wirklicher Kontrast zwischen der emotions- und spannungsgeladenen Musik der Königin der Nacht und der ruhigen, meditativen Klangwelt Sarastros zu spüren. Auch die Dynamik wirkte über viele Passagen hinweg (zu) stark gedrosselt, stellenweise ging das Orchester im Vergleich zu den Sängern regelrecht unter. Leider schienen aber auch viele der Solisten nicht den besten Tag erwischt zu haben: Die Interaktion zwischen den Hauptfiguren blieb seltsam distanziert, die gesanglichen Leistungen waren durchwachsen.
Der vokale Glanzpunkt des Abends war eindeutig Hila Fahima. Sie sang die Königin der Nacht mit fein perlenden und blitzsauberen Koloraturen. Dass die dramatische Attacke zu Gunsten der Klangschönheit dabei etwas auf der Strecke blieb, war in Anbetracht der Unforciertheit der Stimme und der strahlenden Höhen, die immer angenehm samtig blieben, nur eine Randnotiz. An der Darstellung irritierte mich allerdings, dass Fahima die sternflammende Königin so ungefährlich und wenig rachsüchtig wirken ließ, dass man sie bedenkenlos auf die nächste Familienfeier einladen würde.
Als ihr Gegenpart Sarastro wirkte Wilfried Zelinka darstellerisch ebenfalls blass, die Autorität und Macht der Figur waren nur dem Text zu entnehmen. Die Partie schien für ihn außerdem oft zu tief zu liegen, seine Stimme wurde in manchen Passagen, besonders bei „In diesen heil’gen Hallen“ so dünn, dass sie praktisch unhörbar wurde. Sobald es etwas höher hinauf ging, konnte Zelinka seinen profunden Bass jedoch wieder herrlich strömen lassen.