Auf die Osterzeit wird sich allerorten mit den ritualisierten barocken Leidensgeschichten Bachs nach den Evangelien von Johannes und Matthäus eingestimmt. Dass Bach zudem eine eigene Markus-Passion komponierte und aufführte, kommt eher selten wirklich zur Geltung. Auch deshalb, weil beide Fassungen von 1731 und 1744 verschollen sind. Lediglich Picanders Libretto liegt vollständig vor. Bekannt ist, dass sich der Leipziger Thomaskantor bei dem Stück in Sachen Chöre und Arien dem gängigen Parodieverfahren bediente, also die Sätze mit Musik seiner Kantaten oder vielleicht – selbst parodierten – Kurzmesssätzen auskleidete. Folglich gibt es zahlreiche Rekonstruktionsversuche, von denen Diethard Hellmanns Version 1964 nach ersten Untersuchungen 1873 durch Wilhelm Rust und später im 20. Jahrhundert via Friedrich Smend grundwerkliche Erwähnung findet. Auf ihr baut Übernahmeeditor Andreas Glöckner mit neueren, in St. Petersburg entdeckten Materialien zur Reihenfolge sämtlicher Choräle auf, die der Carus-Verlag 2010 zum Anlass nahm, eine Einspielung der Kölner Akademie unter Michael Alexander Willens zu produzieren.
Schon Jahre zuvor auch mit einer Rekonstruktion befasst war Musikologe Malcolm Bruno, dessen Ausgabe bei Breitkopf & Härtel seit 2012 erscheint, 2015 und 2019 erneuert wurde und in der ebenfalls nicht – wie mittlerweile durch andere Wissenschaftler getätigt – alle fehlenden Partien, zum Beispiel Turbachöre oder Rezitative, mit Bachs früheren Werken parodiert wurden, so dass der Evangelist nach wie vor eine Sprechrolle einnehmen muss. Diese Edition spielte das Orchester mit vier Gesangssolisten aus der Reihe zu acht Choristen des üblicherweise bei Willens derart stimmbesetzten Vokalensembles jetzt am Tag Laetare in Coesfeld; als Evangelist fungierte – wie bereits bei einer Vorstellung der Zweitfassung vom norwegischen Ensemble Barokksolistene – der berühmte Schauspieler Ulrich Noethen. Als Hauptquelle der Passion stützen sich alle dabei – mit Ausnahme Ton Koopmans – auf Bachs Trauerode Laß, Fürstin, laß noch einen Strahl (BWV198), wodurch die Instrumentierung mit zwei Traversen, Oboen d'amore, Lauten (am Abend nur eine aufgeboten, dafür mit Sören Leupolds Theorbe besonders kräftig), Gamben, Violinen, Viola und Continuo erklärlich wird.