Kaum beginnt der Chor begleitet von Glockenschlägen seine ersten Takte zu singen, stockt einem der Atem. Brittens War Requiem ist für die Live-Erfahrung geschrieben worden. Und welche moderne Nicht-Kathedrale wäre da passender als die Elbphilharmonie?! Die klare Akustik ließ das Pianissimo, das Daniel Harding fast ins Unhörbare hinunterdirigierte, wolkig und trotzdem transparent klingen.
Begleitet vom sehr präzise spielenden Orchestre de Paris sang der dazugehörige Chœur de l’Orchestre de Paris mit gut 100 Personen vom Rang hinter der Bühne. Der Chor bestimmte nicht nur durch die beeindruckende schwarz-weiße Masse die unglaublich spannungsreiche Atmosphäre des riesigen Saales. Sehr gut balancierte dieser singende Klangkörper auch zwischen spannungsvoller Ruhe und erschreckender Heftigkeit hin und her. Das Kyrie eleison schallte wie ein Nachklang des Todes anrührend in den Saal, wohingegen mit dem Dies irae etwas geschaffen wurde, was an diesem Ort selten gelingt: Der Klang wurde körperlich, der Schall traf einen in die Magengrube: „Lasst die Posaunen klingen!“ Und das taten sie, ebenso wie die doppelt besetzten Pauken!
Der zweite Weltkrieg, der Tod, die Hoffnung in der Hoffnungslosigkeit hat Britten in diesem Werk auf eindrucksvolle Weise verewigt. Die zwischen die Messeteile gesetzten Gedichte sind das inhaltlich bestimmende Element. Mit Christian Gerhaher und Andrew Staples waren zwei Sänger auf der Bühne, die den erzählenden Stil hervorragend beherrschen. Gerhaher deklamierte mit seiner typischen Eindringlichkeit und Staples stand ihm in nichts nach, wenn es um eine helle, kopfige Stimme und glasklare Aussprache geht.
Weniger erzählend, aber umso strahlender erklang die Stimme von Emma Bell aus der Mitte des Chores. Sie sang von Schuld und Strafe und „Rex tremendae majestatis“ mit einer sicht- und hörbaren Würde. Ihr Sopran setzte sich mit rundem Vibrato und Fülle auf den Gesang des Chores.