Der Titel Climb the Sky (Den Himmel erklimmen) des aktuellen NDT 2 Programms vereint Poesie mit Körperlichkeit und fängt damit haarfein die Essenz dieses dreiteiligen Tanzabends ein. Es passiert viel auf der Bühne und die jungen Tänzer beeindrucken mit Ballettsprüngen und virtuosen Tanzbewegungen. Gleichzeitig aber entführen alle drei Choreographen auf sehr unterschiedliche Musik ihr Publikum aus der meist schnörkellosen Alltäglichkeit in vielschichtige berauschende Fantasiewelten.
Der Franzose Noé Soulier choreographiert zum ersten Mal für das Nederlands Dans Theater. Er war selbst Balletttänzer und ist nun Direktor des CNDC in Angers, einem Institut, welches ein kreatives choreographisches Zentrum, eine Schule für zeitgenössischen Tanz und einen Aufführungsort mit Tanzpräsentationen unter einem Dach vereint.
About Now hat er zusammen mit den Tänzern in Den Haag entwickelt und hinterfragt die Art und Weise, wie wir Gesten wahrnehmen und interpretieren. Gleichzeitig erforscht Soulier die Möglichkeiten, wie man aus der in Jahrhunderten gewachsenen Geschichte des klassischen Balletts neue Standards für den modernen Tanz destillieren kann. Zu diesem Zweck übersetzte er zusammen mit den sieben NDT-Tänzern Tätigkeitsverben, mit denen im klassischen Ballett Figuren beschrieben werden in Bewegungen aus unserem heutigen Alltag. Über Verzerrung, Improvisation und das gemeinsame Anschauen der so entstandenen aufgenommen Bewegungsabläufe bekam About Now seine kongenial zu der Musik Bachs passende, weitestgehend geometrische Form.
Soulier hat sechs Kontrapunkte der Kunst der Fuge, eines der Spätwerke des Leipziger Barockmeisters, als Musik gewählt – leider in einer kalt und hart aus den Lautsprechern knallenden modernen Klavierinterpretation. Was Rui-Ting Yu, Demi Bawson, Omani Ormskirk, Gabrielle Rolle, Barry Gans, Casper Mott und Nick Daniels darauf aber in atemberaubender Eleganz tanzten, war ein Spektakel von geballter Energie und kraftvoller raumgreifender Bewegungslust. Über die strenge Bach‘sche Fugenkunst entspann sich eine spielerische zeitgenössische Tanzchoreographie, die sowohl die Sprungkraft als auch das lineare Aufeinandertreffen der Tänzer in den Mittelpunkt stellte und damit immer neue Verbindungen und Assoziationen hervorrief. Der unvollendete Contrapunctus 14 verklang zwar ohne Tanz, machte aber gerade dadurch doppelbödig Raum für weitere innerliche Bilder.