Ein luxuriöses Hotelzimmer in irgendeinen Fünf-Sterne-Luxusschuppen, ein gestresster Reisender im Anzug und einige livrierte Angestellte – der Auftakt für Prokofjews Oper Der Feurige Engel könnte biederer nicht sein. Nichtsahnend, ja fast gelangweilt, schaut der Zuschauer dem beschaulichen Treiben auf der äußerst authentischen Bühne zu, das sich in seiner Belanglosigkeit genauso auch im Hotel Bayerischer Hof drei Straßen weiter abspielen könnte. Nichtsahnend, weil der Abend mit Gummi-Pimmel, Jesuschor und Dragqueen-Show ein deutlich überzeichneteres Ende sucht. Die Bayerische Staatsoper selbst spricht von einem „intensiven Abend“ und das war er in der Tat, sowohl musikalisch als auch mit Blick auf die Inszenierung.
Barrie Kosky, Chefregisseur und Intendant der Komischen Oper Berlin, ist für das expressive Feuerwerk aus Tragik und Erotik verantwortlich. Das klischeebehaftete Ambiente nutzt er ganz bewusst, um einen maximalen Kontrast zur Handlung zu erzeugen. Gleichzeitig verdichtet er seine pausenlose Inszenierung auf den pathologischen Kern der Handlung: Im Irrsinn einer weiblichen Liebesgeschichte verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Imagination.
Die Hauptrolle Renata wurde an diesem Abend von Svetlana Sozdateleva gesungen. In ihrer Jugend stand Renata in engstem Kontakt mit einem Engel. Als sie jedoch den körperlichen Liebesbeweis von Ihrem Engel einfordert, verschmäht er sie. Seitdem irrt Renata durch Europa und klammert sich an die verzweifelte Hoffnung, die göttliche Erscheinung wiederzusehen. Schreiend, von Visionen verfolgt und dann doch wieder von unglaublicher Liebe erfüllt, durchlitt die Sopranistin das komplette Spektrum von Renatas Gefühlsachterbahn. Stimmlich blieb sie dabei wandlungsfähig und der anspruchsvollen Partitur in allen Lagen souverän gewachsen.
Zur Seite stand ihr dabei Evgeny Nikitin. Im Stück spielt er ihren Verehrer Ruprecht, der in seiner unerwiderten Liebe zu Renata ebenfalls vom Strudel des diabolischen Wahnsinns erfasst wird. Auch wenn überwältigende stimmliche Glanzpunkte ebenso fehlten wie ein wirklich überzeugendes Schauspiel, bildeten die beiden ganz ohne Zweifel ein wahrlich eingespieltes Paar. Und so entstand in den 2 Stunden, in denen Sozdateleva und Nikitin ununterbrochen auf der Bühne stehen, unter der Leitung von Vladimir Jurowski ein faszinierendes Maß an musikalischer Geschlossenheit. Die aufbrausenden Klänge Prokofjews formte der Dirigent differenziert aus und verzichtete auf diabolische Dauerbeschallung. Das markante Thema des Stückes erklang präzise und in wohl überlegten Akzenten.