Francesco Contis Karnevalsoper Don Chisciotte in Sierra Morena wurde 1719 in Wien uraufgeführt. In Pietro Pariatis und Apostolo Zenos witzigem Libretto nach Vorlage Cervantes' verarbeitet sie die bekannte Geschichte des von ritterlichem Heldenmut träumenden Don Quixote als Parodie auf die sonstige opera seria. Die gewöhnlichen Motive des Wahns, der Liebe, Rache und zwischenmenschlichen Verhaltenswirren dürfen dabei nicht fehlen.
Somit passte sie kurz nach dem Beginn der fünften Jahreszeit ungemein nach Köln, dem einzigen deutschen Spielort auf der drei Städte umfassenden kurzen Tour des B'Rock Orchestra unter René Jacobs, der die zuletzt 2005 in Innsbruck aufgeführte Rarität wiederaufnahm und sogar leicht abänderte. Und während sich ironischerweise die begeisterten Anhänger der hiesigen Fest-Tradition „jeck“ nennen, wurde Conti selbst von seinem Bewunderer Quantz als „bizarr“ treffend bezeichnet. Den Titel verdiente er sich als „Erster Theorbist der Welt“ durch seine „Feurigkeit“ und seinen „Einfallsreichtum“, die sich natürlich in seinen Rezitativen manifestieren, die entgegen der wörtlichen Bezeichnung secco gerade fetzig, effektvoll und lustig daherkommen.
Ein Glück für eine auf mehr als drei Stunden gekürzte Fünf-Stunden-Oper, obgleich Jacobs – egal welches Werk auf dem Pult liegt – auch so schon ein freiheitliches Continuo-Spektakel garantiert. Doch auch Contis Accompagnati und Arien bestechen durch Einfall, Abwechslung und Ausgewogenheit; sie rechtfertigen in ihrer musikstilistischen Konjunktion aus neapolitanischem Theater und wienerischer Galanz mit grellen vokalen wie melodischen Effekten seine Extravaganz und geraten, im Gegensatz zu Werken anderen Komponisten, nicht zu einer langweiligen Mixtur.
Sie passen nicht nur zu der Form der Tragicommedia, sondern spiegeln auch zwangsläufig das schnell wechselnde Auf und Ab der Geschichte und ihrer Charaktere gekonnt wider. So finden sich immer mal eingeschobene Dialogantworten in gewitzt und abrupt unterbrochenen musikalischen Linien und zahlreiche Affektbrüche in wunderschönen Melodien zwischen empfindsam-sentimental, edel-verspielt und sprudelig-frisch. Dafür war das B'Rock Orchestra der perfekte Interpret. Auch wenn die bei Jacobs seit einiger Zeit exerzierte (getrennte und teils gemischte) Aufstellung ob vergangener Schwierigkeiten hinsichtlich Zusammenspiel und Balance für anfänglichen Argwohn sorgte, brachte das Ensemble die Originalität in herausragender Weise zum Ausdruck.
Nicht nur dadurch, dass die Abstimmung makellos war und die Mischung in der Philharmonie funktionierte überwältigten die Musiker mit Präzision und Sicherheit im fließenden Dickicht von Rezitativ-Accompagnato-Arioso-Arie in wechselnder Continuo-Ausführung. Ob knackige Celli und Bässe, funkelnde Lauten, Gitarren und Harfe, ein spritzig-groovendes Cembalo, eine elektrisierende Orgel oder die atmenden, zackigen, gewetzten, akkuraten Streicher. Das Ensemble füllte Partitur und Saal mit Spaß und Energie, Leidenschaft und Einfühlung.
Mit Dynamik, den typisch burlesk-deftigen Streicher-Rhythmen und der Erlebnismaschinerie aus Oboe, Flöte, Flauto piccolo, Kastagnetten, Tambourin, Schellenring, Glöckchen, Trommeln, Windmacher und Hörnern brannte B'Rock ein mitreißendes, farbiges Effektfeuerwerk ab. Zu dieser Lebendigkeit und dem spielerisch-wachen Esprit passte nur zu gut, dass Schlagzeugerin Marie-Ange Petit mit den Kastagnetten auf der Bühne tanzte, als sich Sancio Pansa und Maritorne zur Folia d'Espagne eine der beiden amüsanten Streitszenen des komischen Paares lieferten.