Wenn eine der gefragtesten Sopranistinnen unserer Zeit in die Rolle ihrer berühmtesten Landsmännin schlüpft, ist der Grundstein für einen ereignisreichen Opernabend schon gelegt. Die schwedische Weltpremiere Notorious nach dem Film von Alfred Hitchcock zeigt in einer rundum gelungenen Produktion, dass auch zeitgenössische Opern noch eine große Zukunft haben können.
„Notorious is a story about love, how it blinds us, yet is also the very elixir that makes life worth living.“ Wer den Film mit Ingrid Bergman und Cary Grant gesehen hat, weiß, dass die Handlung um Spionage, Kriegsverbrechen und zwiegespaltene Liebe mehr als genug Dramatik für eine Oper zu bieten hat. Das Libretto von Kerstin Perski orientiert sich soweit am Film, um für ein paar charmante Déjà-vu-Momente zu sorgen, nimmt sicher aber auch genug Freiheiten, den Stoff operntauglich zu machen. Dies gelingt ihr vor allem in eingeführten Monologen der Protagonisten, die deren Motive und Handlungsweisen dem Publikum noch mehr verdeutlichen. Die Musik, die basierend auf dem Text und in symbiotischer Zusammenarbeit mit Perski entstand, scheint sich perfekt an die Worte anzupassen. Jeder Charakter erhält seinen eigenen Ton und vermittelt eine ganz eigene Stimmung. Die lange Entstehungszeit, in der die Sänger teilweise schon vor der Musik festgelegt waren, erlaubte es Hans Gefors, eine maßgeschneiderte Partitur für die einzelnen Stimmen zu entwerfen. „Für einen Komponisten wie mich ist der entscheidende Aspekt eines Dramas, dass jeder Beteiligte singt, als wolle er überzeugen: sieh die Welt durch meine Augen!“ Wer bei der Premiere anwesend war, kann bestätigen: alle Sänger haben restlos überzeugt.
Allen voran war wie erwartet Nina Stemme der Star des Abends. Gleich zu Beginn erfüllte sie mit ihrem kernigen Klang den Saal. In heftigen Beschuldigungen gegen ihren korrupten Vater ließ sie der Kraft ihrer satten Tiefe freien Lauf und vermittelte das Bild einer selbstbewussten, leidenschaftlichen Alicia Hauser. Aber nicht nur diese kräftige Seite lag ihr ausgesprochen gut; ein Umschwung in der Handlung war stets auch in ihrer stimmlichen Darbietung zu hören. Als sie in Rio ankam und an einen Neubeginn mit ihrem Liebsten Devlin glaubte, bekam ihre Stimme einen ganz neuen lyrischen Ton, präsentierte einen weichen Klang, der nichts von seiner Stärke am Beginn eingebüßt hat. Wie wir wissen, ist ihr Liebesglück von kurzer Dauer, und schnell fand auch der dramatische Ton wieder Einzug in ihr Spiel. Ihr zuvor sparsam eingesetztes Vibrato gewann durch den gezielten Einsatz an Durchschlagskraft, und auch die schnellen Wechsel von legato zu staccato hoben die zwiegespaltene Lage ihrer Gefühle hervor.
Als Spion und Liebhaber Devlin trat der schwedische Bariton John Lundgren auf. Seine Stimme vermittelte eine nicht anzuzweifelnde Autorität und einen stählernen Willen. Wie auch bei Stemme fügte sich seine gesangliche Darbietung direkt in sein Schauspiel und machte die Handlung dadurch noch fassbarer. Die verschiedenen Facetten seiner Rolle brachte er durch einen Wechsel zwischen enger, trotziger und schwärmerisch seufzender Stimmfarbe zum Vorschein. Mit dem verzweifelten Ruf nach seiner Geliebten im Falsett machte er auch die zerbrechliche Seite seiner Figur sichtbar.