Dass ein Wettstreit nicht nur musikalisch in Harmonie enden kann, sondern auch persönlich von Wertschätzung und gar familiärer Freundschaft geprägt ist, wurde bei einem Konzert des digitalen „Talk“-Formats der diesjährig physisch live oder gestreamt zweigleisig fahrenden Edition des Festival Oude Muziek Utrecht veranschaulicht. 1722 bewarben sich nämlich Telemann, Graupner und Bach unabhängig voneinander um das durch den Tod Kuhnaus vakante Amt des Thomaskantors in Leipzig, dabei waren alle miteinander aus dortigen Tagen gut bekannt. Telemann studierte in Leipzig, genauso wie Graupner, der schließlich im Collegium Musicum spielte, als Ersterer dieses leitete und Instrumentalmusik dafür schrieb, die Zweiter als Vorbild aufgreifen sollte. Gleichzeitig komponierte Telemann für das Opernhaus am Brühl, dessen Aufführung Die syrische Unruh Bach verfolgt haben muss, bediente auch er sich des damals aufsehenerregenden Vorkommens eines Dominantseptakkords etwas später in der Kantate BWV54. Dessen Inspiration und Faszination für Telemann ging soweit, dass er ihn zum Taufpaten für Sohn Carl Philipp Emanuel erwählte, während Graupner einfach recht enge Verbundenheit zu ihm pflegte. Wollte Telemann schließlich den Posten des Thomaskantors nicht übernehmen, empfahl Graupner dem Stadtrat mit anerkennenden und fairen Worten, Bach ruhigen Gewissens einzustellen.
Solch honorigem Reden wiederum kann ich mich in diesen verschriftlichten Worten anschließen, um das aufgezeichnete Konzert des sinngebend und ausbalanciert antiphon aufgestellten Ensemble Odyssee zu beschreiben, dessen Programm das instrumental-inzidente gute und teils sportliche Auskommen zwischen Streichern, Holzbläsern und Continuo dieser drei barocken Buddies bravourös zur Sprache brachte. Den Anfang machte Blockflötistin Anna Stegmann in Graupners einziger für dieses Soloinstrument konzipierten Ouverture, deren titelgebender Eröffnungssatz – wie über den gesamten Austausch quasi als langue maternelle – der anmutige wie esprithafte Gestus der leichten Zungenakrobatiken wie Finger- beziehungsweise orchestralen Handgelenke anhaftete. Dass das Stück – ganz nach und wie der folgende Telemann – französisch mit leichtem italienischem Akzent parlierte, offenbarte der folgende Satz La Speranza, in dem Stegmann trotz des heiklen entgegengesetzten Triolen-Auflaufs dieser 12/8-Neckigkeit auf einer verständlichen wie spitzbübisch eleganten, sich behauptenden Wellenlänge blieb mit dem sich den vertrauenden Schimmer der positiven selbsterfüllenden Prophezeiung bewahrenden Kumpanen.