Wilde Musik aus Bachs Weimarer Jahren, eine Art niedergeschriebene, freie Fantasie eröffnete Kristian Bezuidenhouts Recital in der kleinen Kirche von Cully auf einem Fortepiano von Christoph Kern (Staufen im Breisgau), nach einem Instrument von Anton Walter (1795).
Der Pianist interpretierte die Toccata, BWV913, frei, den experimentellen Charakter des Werks noch betonend, dabei zurückhaltend im Einsatz gestalterischer Mittel. Er beschränkte sich im Wesentlichen auf zusätzliche Verzierungen, subtile Agogik, auf die Gestaltung der großen Bögen. Man hatte den Eindruck einer im Moment entstehenden Eingebung, speziell im dritten, mit Adagissimo überschriebenen Segment: wie frei improvisiertes Präludieren, mit gewagten, oft unerwarteten harmonischen Wendungen. Auch wenn Bachs Komposition noch die Stringenz, die Prägnanz seiner späteren Werke abgeht, war sie dennoch eine sehr passende Eröffnung. Sie erlaubte dem Publikum, sich in die Akustik und die Klangwelt des Instruments einzuleben. Die nachfolgenden Sonaten von Mozart entfalteten dadurch ihre Wirkung umso besser.
Kristian Bezuidenhout hat gerade sein Projekt, Mozarts sämtliche Solo-Klavierwerke auf CD zu veröffentlichen, erfolgreich abgeschlossen. Es war dennoch spannend, sein Mozart-Spiel im Konzert zu erleben, zu sehen, wie der Künstler in und mit der Musik lebt, sie aus dem Moment heraus gestaltet. Es ist für mich jedes Mal ein Erlebnis, zu hören wie er das Fortepiano zum Singen bringt. Bezuidenhout vermeidet Übertreibungen, exzessive Agogik, überdehnte Fermaten und ist zurückhaltend beim Einsatz von Dynamik; sein Fokus liegt in der emotionalen Tiefe, der sorgfältigen Artikulation. Im Variationensatz von KV 331vereinfacht er oft den ersten Durchgang, gestaltet dafür die Wiederholung mit unauffälligen kleinen Arabesken. In der zweiten Variation lassen die Vorschläge in der linken Hand das Alla turca schon vorausahnen, desgleichen die arpeggierten Akkorde im Bass des letzten Abschnitts. Sehr passend und feinfühlig war das kurze Innehalten zwischen einzelnen Teilen sowie die besonders reich ausgestaltete Adagio-Variation.
Ätherisch klang danach der Trio-Teil des Menuetts, vor allem da, wo der Moderator zum Einsatz kam. Kleine Wunder ereigneten sich für mich vor allem in der Gestaltung interner Übergänge, von Bezuidenhout bewusst und gefühlvoll gestaltet: da stimmt jedes Detail, die Fermaten und kleinen Verzögerungen sind alle genau richtig. Am meisten Freiheiten erlaubt sich Kristian Bezuidenhout im Alla turca – verständlich, weil der Satz nachgerade abgegriffen wirkt, allzu bekannt ist. Witzig hier die gelegentlich eingestreuten, synkopierten Akzente mit Vorschlag. Es war auch erfrischend, dass der Künstler aus diesem Satz keine Kiste machte, sondern mit einem sehr flüssigen Zeitmaß spielte und vor der Coda mit Vereinfachungen und einer Oktavversetzung der Trivialität des Gewohnten aus dem Weg ging.