Vermutlich seit der Schule verbindet man mit dem berühmten Motiv der Fortissimo-Schläge Beethovens fünfter Sinfonie das althergebrachte Erklärungsmuster des an die Tür klopfenden Schicksals ob seiner Taubheit. Auch wenn es keine Übersetzung dieser Musik ohne Worte vom Komponisten selbst gibt, so ist eine Herleitung seit der historischen Aufführungspraxis zumindest belegbar.
Und sie ist politisch, bei Beethoven genauso emotional und neu wie in seinem anderen Œuvre (und hier passt Napoleons Ausspruch: „Die Politik ist das Schicksal“). Diesem Ansatz und der zeitlichen Spurensuche gingen die Interpreten um François-Xavier Roth beim Beethovenfest nicht nur mit der Wahl der Instrumente und der programmatischen Einbettung nach und von Frankreich kommend historisch, sondern außerdem ganz aktuell zusätzlich nach, als sich die Méhul zugeschriebene Messe solennelle vor der Aufführung sensationell als Komposition von Franz Xaver Kleinheinz herausstellte, der zu Beethovens Bekanntschaft zählte. Und damit dem immer noch wenig Bekannten, verlor zumindest Méhul als Komponist seinen Ruhm unter Napoleon wie die für sie stehende Revolution selbst. Comme approprié!
Von dem revolutionären Geist aber spürte man gleich einiges in seiner Overtüre zur Oper Les Amazons, die in seinem eindeutig französischen Klangbild steckte. Mit fast berstend-militärischer Donner-Pauke und über-fulminant hereinprustendem Blech arbeitete Roth mit seinem Originalklangkörper Les Siècles den ersten Adagio-Teil als stimmungsvollen, attackereitenden Aufgalopp heraus. Die wirkmächtigen Fortissimo-Akzent-Akkorde standen im Kontrast zu den kräftigen, langen Bögen der Streicher, die mit tiefartikulierter Fülle das dicht-homogene aber transparente, melodische Klangfeld sondierten. Von ihrer feingliedrigen Seite konnten sie sich im kompositionstechnisch üblichen Gegenstück zeigen, in dem statt wuchtigen Zunders eine ruhige, apparte Cavantine ihren Platz hatte. Mit den anfänglichen Attacke-Akkorden vollzog sich der fließende Übergang in die ziemlich flinke Allegretto-Hälfte, in der diese Motivlage übernommen und verarbeitet wurde. Die rhythmischen Streicher fertigten die Wechsel aus tremolo-walzender Kampfeslust und punktiertem Charme in einheitlicher Geläufigkeit und Spannung; eine energische Auferstehung ungehörten Méhuls.
In diesem Fahrwasser befand sich auch Beethovens Fünfte, die mit dem vielmehr nämlich von Luigi Cherubinis Hymne du Panthéon verwerteten Thema und einer vom kämpferischen Triumph durchzogenen Sprache von seiner trotzigen und überzeugten Auseinandersetzung mit der französischen Revolution und ihren Zielen erzählt. Mit wunderbar exakten, typisch französisch eingefärbten drahtig-sehnigen Streichinstrumenten ging der kernige Schwung jedoch zunächst merkwürdigerweise etwas verloren. Als hätte man leise Kritik an unterrepräsentierten Holzbläsern und dem starken Blech gehört, agierte das Ensemble zurückhaltender, dafür balancierter. Mit weicherer Attitüde, vor allem beim nun hörbaren Holz, und nicht so radikaler Gangart in Sachen Tempo, Dynamik und Artikulation war Roths Interpretation vielleicht eher an den österreichischen Verhältnissen angelehnt. Nichtsdestotrotz warteten die Hörner mit gewetzten Akzenteinwürfen auf. Im ersten Satz überraschte der Dirigent zudem mit einer Generalpause vor der jeweiligen Wiederholung des berühmten Motivabschnitts.