Die Aufführung von Johann Sebastian Bachs großen Passionsoratorien am Karfreitag ist in Hamburg alljährliche Tradition und so präsentierte die Kantorei St. Jacobi in diesem Jahr eine gewohnt solide Interpretation von Bachs Matthäuspassion, die insbesondere aufgrund ihrer streckenweise sehr großen und sogar in zwei Chöre aufgeteilte Besetzung ganz eigene Anforderungen an die ausführenden Choristen stellt.
Gerhard Löffler, der vor rund einem Jahr in die zweifelsohne großen Fußstapfen von Kirchenmusikdirektor Rudolf Kelber getreten war, leitete die fast dreistündige Aufführung mit Präsenz und Struktur, allerdings fehlte es gelegentlich ein wenig an interpretatorischer Tiefe und erzählerischer Stringenz. Gerade zu Beginn war es durch teilweise langatmige Pausen schwer in den Sog der Leidensgeschichte Jesu einzutauchen.
Nicht gänzlich überzeugen konnten auch die fünf Solisten. Der Hamburger Tenor Simon Bode zeigte sich der Rolle des Evangelisten stimmlich zwar voll und ganz gewachsen und überzeugte in seinen Arien mit Strahlkraft und lyrischer Innigkeit. In den Rezitativen ließ er jedoch das Bewusstsein für das erzählerische Moment streckenweise vermissen. Da sich die Matthäuspassion – im Gegenteil etwa zu Passion nach Johannes – ohnehin durch einen oftmals eher meditativen und dabei weniger aktionsreich voranschreitenden Charakter auszeichnet, wäre hier eine packende Erzählung von Seiten des Evangelisten wünschenswert gewesen.
Matthias Weichert blieb in seinem Vortrag ebenfalls etwas farblos und vermochte der Rolle des Sohnes Gottes, welche er aufgrund eines krankheitsbedingten Ausfalles krzfristig übernommen hatte, nicht so recht eigenes Leben einzuhauchen. Timothy Sharp präsentierte die Bassarien hingegen mit beeindruckend klarer Textverständlichkeit. Insbesondere in „Mache dich, mein Herze, rein“ brachte er seinen warmen Bariton zum Strahlen und musizierte in erfrischendem Wechselspiel gemeinsam mit dem Kammerorchester St. Jacobi diese vielleicht schönste Arie der Matthäuspassion. In der Sopranpartie war Tanya Aspelmeier zu hören. Leider ließ die gefragte Oratoriensängerin häufig die klare Diktion vermissen, zeigte aber eine insgesamt solide Interpretation.