So mancher Konzertbesucher konnte erahnen, welch mystisch-diabolische Klänge er im Symphoniekonzert am Dienstagabend zu hören bekommen würde, und doch wurden mit Sicherheit jegliche Erwartungen übertroffen. Die Münchner Philharmoniker spielten unter der Leitung ihres Chefdirigenten Valery Gergiev die eher selten erklingenden Werke Prélude à L’après-midi d’un faune von Debussy, Schostakowitschs Zweites Violinkonzert und die Symphonie fantastique, eines von Berlioz' bedeutendsten Werken. Trotz der Tatsache, dass die Werke stilistisch voneinander weit entfernt sind, zog sich die Thematik des Phantastischen und Träumerischen stets in unterschiedlicher Form wie ein roter Faden durch das Programm.
Debussys etwa 110 Takte lange Komposition orientiert sich in gewisser Weise an dem 110-zeiligen Gedicht L’après-midi d’un faune (Der Nachmittag eines Fauns) von Stéphane Mallarmé, welches zum Ausgangspunkt vielfältiger künstlerischer Schöpfungen des 19. und 20. Jahrhunderts werden sollte. Erzählt wird die Geschichte des Fauns, der aus seinem nachmittäglichen Schlaf erwacht und die Ereignisse monologhaft wiedergibt. Debussy wählt für seine Komposition eine eher abstrakte Herangehensweise: Er schildert die Handlungsgegenstände nicht etwa in konkreten Bildern, sondern versucht vielmehr, die einzelnen Gemütszustände des Wesens schemenhaft in Musik auszudrücken.
Der Soloflötist eröffnete die symphonische Dichtung mit dem berühmten Solo, in dem sich der Hauptgedanke des Werks manifestiert. Es blitzt im Laufe der Zeit immer wieder aus dem vollen Orchesterklang hervor, war jedoch stets mit unterschiedlichen Klangfarben versehen und immer neu gestaltet. Dieses Werk, welches als Paradebeispiel des musikalischen Impressionismus gelten kann, wurde von den Musikern mit äußerst viel Feingespür für die Besonderheiten der Epoche wiedergegeben: Sie scheuten vor extremer Agogik nicht zurück, ließen die Musik flimmern, glänzen, strahlen, wogen.
Schostakowitschs Violinkonzert konnte zu dem Werk Debussys kaum einen größeren Kontrast bilden. Obwohl der erste Satz tendenziell zurückhaltend beginnt, wird bald ein Inferno gequälter Dissonanzen entfacht. Die Solistin Janine Jansen zeichnete bewusst scharfe Konturen, von denen die Musik Schostakowitschs reich durchzogen ist. Oftmals nutzte sie die Gelegenheit und bewies ihren Mut zur Hässlichkeit und zum Chaos, indem sie sich ganz den knarzenden und aggressiven Einwürfen hingab, die melodiösen Passagen unterbrechen. In lyrischen Passagen war ihr Spiel kontrolliert und exakt, aber nicht minder musikalisch und weich.