Manchmal spricht ein Bühnenbild Bände. Das von Katja Haß für Stephan Kimmigs Stuttgarter Inszenierung von Hans Werner Henzes Prinz von Homburg gehört dazu. Die Welt, in der sich dieses Drama abspielt, ist ein Gefängnis. Eine Art eiserner Vorhang trennt sie von der Welt des Publikums, doch bei entsprechender Beleuchtung wird dieser Vorhang ein wenig transparent und man sieht, wie sich die Bühne dahinter in den Orchesterzwischenspielen zwischen den Szenen verändert. Das könnte ein Pendant zu dem sein, was Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze mit dem von ihnen für die Bühne entworfenen Brandenburg vorgeschwebt haben mag, denn ein militärisch preußisches sollte es nicht sein, eher ein „fröhliches“, wie Regisseur Stephan Kimmig im Programmheft vermutet. Man kann auch mit Blick auf das Bühnenbild sagen, ein offenes, transparentes, zumindest eine Art Gegenentwurf zu der Gesellschaft, die die beiden Künstler in den 50er Jahren in Deutschland vorfanden und vor dem sie sich nach Italien flüchteten.
Zu diesem menschlichen Brandenburg gehört ja auch die Tatsache, dass sich der Kurfürst am Ende zur Gnade durchringt, obwohl der Prinz seinem Befehl zuwidergehandelt und damit das Leben von Soldaten riskiert hatte. Aber zugleich skizzierte Ingeborg Bachmann in ihrem Libretto auch das Pochen auf Befehlsgehorsam, und Henze komponierte über weite Strecken eine martialische Klangwelt, die Cornelius Meister am Pult in ihrer ganzen Gewalt faszinierend ausspielen ließ. Allerdings fand er auch die leisen Töne, die lyrischen, die immer dann aufklingen, wenn Natalie, die den Prinzen liebt, ihren Gefühlen Ausdruck verleiht. Vera-Lotte Böcker gelang das bewundernswert bis in die höchsten Töne, sie war stets voller Ausdruck, ihre Natalie war ein gesungenes Plädoyer für Empathie statt Befehlseinforderung.
Für Gefühle freilich ist in Stephan Kimmigs Inszenierung wenig Platz. Das Geschehen findet weitgehend in einer Art Schlachthaus statt, in dem die Leichen der im Krieg Gefallenen abgeladen werden, die Soldaten sich mit Blut beschmieren. Das ist noch ganz das militärisch strenge Brandenburg, in dem nicht Emotion Platz haben darf, sondern Drill. Der Hofstaat samt Kurfürst steht nicht selten an Ballettstangen und übt Bewegungen ein, die nichts Persönliches zum Ausdruck bringen: Die Gruppe herrscht, nicht der Einzelne. Da hat einer wie der Prinz, der nicht selten in seine private Traumwelt abdriftet, keinen Platz. Dass er scheitert, ist von vornherein klar. Kimmig bringt nicht ein „fröhliches“ Brandenburg auf die Bühne, sondern das Gegenteil, eine Gesellschaft, in der Fröhlichkeit keine Chance hat. Entsprechend ist Robin Adams als Prinz weitgehend allein, kann selbst in Szenen, in denen er mit Natalie gemeinsam auf der Bühne steht, keine Nähe entwickeln. Kimmigs Inszenierung zeigt eine kalte Welt, in der Gefühle und Menschlichkeit nicht vorhanden sind, sondern eingefordert werden müssen. So gestaltet Adams seinen Prinzen denn auch immer wieder fordernd, und wo das nichts bringt, verzweifelt, sängerisch Vera-Lotte Böckers Nathalie ebenbürtig.