Noch bevor die Tonhalle Zürich für drei Jahre ihre Tore schließt, präsentiert sich das Zürcher Kammerorchester (ZKO) an alternativen Orten, wie in diesem Konzert die Pfauenbühne, die lange Zeit die Hauptbühne für das Schauspielhaus Zürich war. Nach den Erfahrungen mit der trockenen Akustik des Opernhauses war ich skeptisch bezüglich der Eignung eines Sprechtheaters als Konzertsaal. Das Konzert mit Renaud Capuçon war das dritte an diesem Spielort, und ich kann konstatieren: das Wagnis hat sich gelohnt.
Sicher, das im Vergleich zur Tonhalle kleine und zerklüftete Auditorium erzeugt keinen wahrnehmbaren Nachhall, anderseits dämpft der Raum die hohen Frequenzen erstaunlich wenig, und die Bässe werden vom Raum sogar gestützt. Einen ersten Test für diese Akustik bot Mozarts fast allzu bekanntes Salzburger Divertimento in D-Dur. Renaud Capuçon leitete das Orchester vom ersten Pult, integriert in das Ensemble, als läge die letzte Begegnung mit dem Orchester nicht etwa 8 Jahre zurück, und es bedurfte keiner übertriebenen Gesten, die Musiker bei der Stange zu halten.
Zwar stelt das Divertimento keine hohen technischen Anforderungen, aber man darf diese Komposition auch nicht unterschätzen. Die einfache Textur verleitet dazu, das Tempo allzu sportlich anzusetzen, eine Herausforderung zu machen, wo keine ist. Die Artikulation und Capuçons Zeitmaß aber fühlten sich natürlich an: weder zwang übermäßiger Nachhall zu staccatoartiger Artikulation, noch bestand Bedarf, allzu trockene Akustik mit vermehrtem Legato zu füllen. Das Orchester spielte mit minimalem Vibrato, leicht, mit selbstverständlicher Attitüde, flüssig, mit sorgfältiger, detaillierter Dynamik. Speziell im letzten Satz fiel mir auf, wie Motivwiederholungen innerhalb eines piano-Segments ganz ins ppp zurückgenommen wurden. Der Klang war durchweg transparent.; da war kein Zurschaustellen von Virtuosität, kein Versuch, die Musik als revolutionär darzustellen. Dennoch schenkte das Ensemble dem oft unterschätzten Werk die ihm gebührende Sorgfalt und Aufmerksamkeit. Ein ausgezeichneter Einstieg ins Konzert!
Eher außergewöhnlich war danach Schumanns Cellokonzert in einer Version für Violine, die der Komponist selbst für seinen Freund Joseph Joachim erstellt hat – die einzige Version, die Schumann selbst gehört hat. Die Geigenfassung ist also original, allerdings hat das ZKO darüber hinaus die Bläserstimmen auf einzelne Streicher übertragen, die Pauken ganz weggelassen. Es erklang also eine nicht ganz authentische, reine Streicherversion. Das hatte mehrere Konsequenzen: zum Einen wurde die ohnehin schon kompakte Besetzung der Streicherstimmen dadurch noch schlanker, kammermusikalischer. Damit verschob sich nicht nur die Klangfarbe, sondern auch die akustische Balance zugunsten der originalen Streicher; Bläser-Soli gingen oft fast unter.