Der Berliner Sommer neigt sich dem Ende zu. Die Blätter im Tiergarten, der hinter der Philharmonie Berlin liegt, verfärben sich schon herbstlich. Das Orchester der Deutschen Oper Berlin allerdings verbreitete mit seiner Aufführung der idyllischen Musik Anton Weberns eine sommerliche Stimmung im Saal der Philharmonie. Die Kontrabässe begannen das Werk Im Sommerwind; davon ausgehend entfaltete sich nach und nach der Klangumfang des Orchesters. Webern ließ sich zu diesem Stück von einem Gedicht Bruno Willes inspirieren. Der Text war im Programmheft nachzulesen und gab so dem Publikum einen engeren Bezug zur Musik. Sobald das Hauptthema zum ersten Mal von der Oboe gespielt wurde, entwickelte sich die Musik noch dynamischer und drastischer. Jedes Wort spiegelte sich in den Tönen wider, während Konzertmeister Reinhold Wolf ein fröhliches Violin-Solo spielte. Chefdirigent Donald Runnicles führte das Orchester mit einem leichten, lebendigen Puls und ließ den Orchesterklang durch gelegentliche Ritardandi noch reicher werden. Dadurch erreichte diese idyllische Musik ihren absoluten Höhepunkt, wobei Runnicles’ balancierte Leitung des Orchesters hervorstach.
Beim Hören des nächsten Programmpunkts, den Drei Liedern für Sopran und Orchester von Aribert Reimann, musste man sich die Frage stellen - was ist musikalische Stille? Wie auch bei Webern bezieht sich Reimanns Musik auf eine lyrische Vorlage, in diesem Fall Gedichte von Edgar Allan Poe. Den Anfang machte das Gedicht „Silence“, bei dem es um das „zweifach Schweigen“, die schweigenden Gegensätze wie Körper und Seele, geht. Dies wurde von Reimann unfassbar metaphysisch vertont, was unvergleichliche Klänge erzeugte. Dieses Stück war weder stillschweigend noch irgendwie leise, sondern vermittelte den Eindruck einer musikalischen Kraft, die zwischen den schweigenden Gegensätzen entsteht. Das erinnerte mich auch an den von Richard Wagner geprägten Begriff des „tönenden Schweigens“, was sich auch auf diese Musik beziehen ließe. Es geht nicht nur um physikalische Lautstärke, sondern auch um metaphysikalischen Inhalt. Schweigen kann sowohl Kraft, Gefühl als auch Leidenschaft beinhalten und muss daher nicht unbedingt eine musikalische Pause bedeuten.