Nach sechs Wochen gingen die Salzburger Festspiele mit einem erwartungsgemäß hochwertigen Konzert der Berliner Philharmoniker zu Ende. Wie schon wenige Tage zuvor beim Konzert des Boston Symphony Orchestra stand wiederrum eine Schostakowitsch-Symphonie auf dem Programm, diesmal die Vierte, wie auch Variationen seines englischen Zeitgenossen Benjamin Britten. 1937 wurden Brittens Variationen bei der Uraufführung bei den Salzburger Festspielen umjubelt. Mit den Berliner Philharmoniker kehrten sie 78 Jahre später wieder an seinen Uraufführungsort zurück.
Mit einer Ruhe und Gelassenheit dirigierte Simon Rattle seine Berliner Philharmoniker, deren Chefdirigent er noch bis zum Jahr 2018 ist und von Kirill Petrenko abgelöst wird - zu Beginn nur das Streichorchester, welches die Variationen über ein Thema von Frank Bridge von Benjamin Britten im ersten Teil des Konzertes spielte. Dieses Werk verlangt hohe Präzision in Rhythmik, in den Einsätzen und vor allem in der Intonation, wenn die ersten Geigen auf ihrem Griffbrett immer höher und höher rutschen. Dabei verlor der Ton selbst in den hohen Lagen nie an Intensität und Ausdruckskraft. Die schnell aufeinanderfolgenden Einsätze kamen immer präzise, nicht so aber das Pizzicato. Diese kleinen Unstimmigkeiten fielen jedoch nicht ins Gewicht und ein klarer, feiner Klang „entschädigte“ dafür. Spannend anzuhören war besonders die achte Variation, der Funeral March, mit dem kontinuierlich drängenden Pochen der Kontrabässe, während sich die Geigen in flehendem Ton in immer höhere Lagen winden. Nach dieser ausdrucksstarken Variation erklang das Thema der nachfolgenden Variation in den Bratschen, die ihre Seufzermotive mit großer Gewichtung abphrasierten und damit eine Schwere in das Spiel mit einbrachten.
Während Britten durch seine gelungene Uraufführung internationalen Ruhm erntete, kam Schostakowitschs Symphonie Nr. 4 erst knapp 20 Jahre nach ihrer Fertigstellung zur Aufführung (1961). Schostakowitschs Kompositionen und auch er selbst litten bis Stalins Tod unter der Zensur, die meist anspruchsvolle Kunst in Russland nicht duldete. Heutzutage aber sind Schostakowitschs Symphonien beliebte Repertoirestücke, und so standen sie auch bei den Salzburger Festspielen gleich zwei Mal auf dem Programm: Das Boston Symphony Orchestra begeisterte das Publikum mit einer energischen Zehnten Symphonie, wohingegen die Berliner Philharmoniker in der Vierten Symphonie einen sanfteren Ton anschlugen. Obwohl die Komposition kriegerische und zerstörerische Inhalte hat, boten die Berliner Philharmoniker nicht den schweren und ernsten Klang, den man vielleicht erwarten würde. Das Orchester bewahrte stets seine feine Klangfarbe und Transparenz, wodurch die Symphonie weniger in einem kämpferischen Kolorit, sondern mehr in einem erhabenen erklang.