Bunt, quirlig, italienisch, so lässt sich die neue Sonnambula-Inszenierung am Salzburger Landestheater am besten beschreiben. Regisseurin Agnessa Nefjodov verwandelt das Haus dabei für einen Abend in ein kleines italienisches Dorf, in dem das große Drama bis ins kleinste Detail gelebt wird.
„Villagio“ – zu Deutsch: kleines Dorf – prangt in großen Leuchtbuchstaben über der Bühne. Dieser große, starre Schriftzug scheint aber das einzige zu sein, das an diesem Abend still hielt. Kaum waren die ersten Töne der Ouvertüre erklungen, ging das große Gewusel auch schon los. Wir befinden uns in einem italienischen Dorf, wie es im Buche steht, ein paar Jahrzehnte vor unserer Zeit. Agnessa Nefjodov überließ an diesem Abend nichts dem Zufall und spannte bis zum letzten Chormitglied jeden mit ein, in eine Choreographie aus Slapstick-Momenten und bitterem Ernst.
Der Chor des Salzburger Landestheater zeigte sich an diesem Abend von seiner allerbesten Seite. Neben der sehr hohen Präzision in Einsätzen und dynamischer Gestaltung (Choreinstudierung: Stefan Müller), brillierte er vor allem darstellerisch. Vom modischen Anzugträger bis zum Poloshirt mit aufgestelltem Kragen war hier jeder italienische Stereotyp vertreten. Der Chor sorgte dabei immer wieder für kleine, nette Akzente, ohne dabei gesanglich abzuschweifen; herrlich der Moment, in dem die Dorfbewohner zum Zimmer des Grafen schleichen und sich gegenseitig in Richtung Tür schieben, während jeder Schritt von einem Pizzicato der Streicher vertont wird.
Gleichermaßen starke gesangliche Leistungen zeigten die Protagonisten. Lavinia Bini gab eine scheue und zweiflerische Amina, und ihr weiches, sehr helles Timbre unterstrich diese Züge der Figur optimal. Dass sie aber auch anders kann, bewies sie etwas später, als die aufgebrachten Dorfbewohner sie im Zimmer des Grafen Rodolfo finden (dass sie schlafwandelt, ist zu diesem Zeitpunkt ja noch unbekannt): Ohne große Anstrengung legte sie sich mit starken Höhen über den Klangteppich aus aufgebrachtem Chor und Orchester. Am schönsten waren jedoch die Rezitative, denn hier zeigte sie in kleinen Verzierungen und einem warmen Vibrato die Wandelbarkeit ihrer Stimme. Höchstleistung brachte auch ihr Partner Pavel Kolgatin (Elvino). Er nahm das Publikum ab der ersten Minute mit seinem warmen und unglaublich klaren Timbre ein. Für sein junges Alter besitzt Kolgatin eine sehr präsente und facettenreiche Stimme, und es sind besonders die Piano-Stellen, in denen der Tenor seine Vielfalt an Klangfarben einsetzte. Völlig ohne Druck sang er die mit kleinen Verzierungen gespickten Läufe und zeigte dadurch sehr authentisch die verletzlichen Seiten des Elvino. Eben so wenig scheinen ihn die Spitzentöne anzustrengen, von denen jeder einzelne perfekt saß, und bei denen sein sanftes, nicht zu überspitztes Vibrato einen wünschen ließ, es möge Notenwerte von unendlicher Zeitdauer geben.