Diejenigen Werke, die von Telemanns zig tausenden erhalten und entdeckt sind, machen richtig Laune aufgrund ihrer Melodieschönheit, Tonmalerei, Rhythmik und Kuriosität. Einige dieser, in Form der Kammermusik und Concerti seitdem verbreitetsten, präsentierte Telemann-Botschafterin Dorothee Oberlinger mit ihrem Ensemble 1700 beim von der Reihe „NDR Das Alte Werk" veranstaltete Hamburger Jubiläums-Festival. In der Auswahl auch die Vielfältigkeit der Instrumente und Stile abbildend, offerierten sie Telemanns Esprit und Vermächtnis auf passendste Weise, mit Herz und getreu Oberlingers Glaube vom lustigen und spritzigen Menschen Telemann.
So begann das gezeichnete Portrait gleich mit dem Schwung einer gewagten Eröffnung, dem Blockflötenkonzert in C-Dur. Gewagt deshalb, weil es aufgrund der technischen Anforderung, den höchsten Ton der Altblockflöte durch den auf dem Oberschenkel abgestützten Verschluss des Ausgangsloches zu erzeugen, selten live aufgeführt wird. Glückte dieses „andern“ Schauspiel bei erster Anwendung nicht ganz, gelang es Oberlinger in den Folgemalen, was auch dazu führte, das Allegretto fortan von einer gewissen Anspannung zu befreien, es dynamischer zu gestalten, wie es die wiegende Begleitung erforderte. Unüberhörbar typisch Oberlinger verstand sie es jedoch von Beginn an, die Blockflöte als Sprachrohr mit der ihr eigenen exponierten, gewichtigen legato-Betonung und stimmenverstärkenden Phrasierung einzusetzen.
Deren noch weitere Entfaltung boten das Allegro und Andante, bei denen sie ihr Instrument auf einer Sänfte trug, dabei mit eindringlicher Klarheit und Dynamiklust aufwartete und das Orchester die Melodik mit innerem Reichtum ausdrucksvoll verstärkte. Die Telemann'sche Empfindung trafen sie schließlich im Minuet, das einerseits mit der luftigen, tüpfelnd-schmucken Galanz bedacht wurde, andererseits mit dem wilden, ekstatischen Witz, der den Satz zu einem unterhaltsamen Presto macht. In aller Turbulenz mit wahnsinnigen Repetierläufen, knackigen Streichern und einem springenden Kontrabass kamen sogar Concerto-Balance und Lautstärken-Varianz nicht zu kurz.
Auch das G-Dur-Viola-Konzert ist nicht ungefährlich, für das Telemann dem damalig umgekehrt zur Blockflöte solistisch stiefmütterlichen Instrument seine melodische, expressive Aufmerksamkeit schenkte. Erfreulich expressiv und selbstbewusst geriet so die Umsetzung von Florian Deuter, dessen Bewegungen zur Aufnahme der rhythmischen Wiege der weichen Largo-Einleitung in ebenso klarem und großem Ton mündeten. Dieses Merkmal brachte im Allegro eine energische Beflügelung mit leidenschaftlicher Betonung, in deren Überschwang sich zwar kurz einige Kratzer bemerkbar machten, die Begleitung, für die sich das Ensemble 1700 nun solistisch arrangiert hat, aber gleichsam frischsaftig mitriss. Nach einer recht schnellgängigen Überleitung mit ungewohnt virtuosen Einlagen, drehte Deuter im Presto-Verstand noch mehr auf: markant, kernig in den rasanten, feurigen Brausern, elegant im dynamischen und artikulatorischen Rückgang, um Spielraum für die stilistische Kontrasteinsträuung und den Melodieverlauf zu geben.
Mit diesem Selbstverständnis und seiner Partnerin Monica Waisman ging Deuter zudem die Gulliver-Suite an, in der Telemann aus einer strengen Violinschule eine Komik für Etüdianten und Hörer macht. Ein Blick in das Notenbild mit kleinsten Notenwerten oder gegensätzlichen abstrusen Metren sowie den Satzbezeichnungen „Itrada“, „Lilliputsche Chaconne“, „Brobdingnagische Gigue“, „Reverie der Laputier“, nebst ihren Aufweckern und Loure der gesitteten Houhnhnms/Furie der unartigen Yahoos sagen alles.