Wie sich festtägliche Tradition und freudig Neues in Geschenken und Weihnachtsgeschichte symbolhaft allegorisieren lassen, so porträtieren die Chorwerke Mendelssohns die romantische, bei ihm so unvergleichlich herrliche (Re-)Naissance des Biblisch-Barocken in der Musik. Wo die zum Teil wiederentdeckten Kantaten- beziehungsweise Oratorienvertonungen Bachs und Händels übermächtiges Vorbild und bis heute Dauerbrenner der Messias-Zelebrierung sind, stellte Thomas Hengelbrock in seinem vorjubilaren Mendelssohn-Zyklus in diesem Wissen mit seinen Balthasar-Neumann-Ensembles ein kleines Mendelssohn-Weihnachtsoratorium zusammen, welches er teilweise schon letztes Jahr mit dem Orchestre de Paris anklingen ließ.
Dass dieses Pasticcio aufgrund der Musik-Biographie und des frühen Todes des Komponisten nicht nur eine nicht aus der Luft gegriffene Vorstellung sein könnte, verdeutlicht neben der Weihnachtskantate Vom Himmel hoch bereits das final-programmliche Christus-Fragment. In diesem vom Tod Mendelssohns unterbrochenen Oratorium beschreibt er die Geburt Jesu. In die offensichtlich gleiche Kerbe der feierlichen (sogar lutherisch-didaktischen) Reminiszenz schlugen auch die Stücke und Choralkantaten davor, eröffnend mit dem Magnificat in D, das allein die kunstvolle Unvergleichbarkeit Mendelssohns offenlegte. Straff und kompakt erhob sich erst das Balthasar-Neumann-Ensemble symphoniedramatisch und dann der in der geistlichen a capella-Replik strukturell getrennte Chor in der Festlichkeit des Hoheliedes, um schließlich organisch miteinander verwebt zu werden. Aufgrund der ausgezeichneten Präsenz und balancierten Verständlichkeit sowie der relativ kleinen Größe der Ensembles erfolgte dieses Ineinanderfließen unter höchster Transparenz. Gestochen und leichtgängig deklarierten die chorischen Stimmgruppen so die Achtel- und Sechzehntellinien, die das Holz, vor allem Flöten und Fagotte, exakt nachzeichneten. Acht Celli und drei Kontrabässe sorgten für die stete, massiv pulsierende Grundierung.
Unter Ausschöpfung seiner Palette staffelt Mendelssohn daran im Detail immer differenziertere Versvertonungen, die Chor und Orchester mustergültig abbildeten. Nach einem weichen, zurückhaltenden „Quia respexit“ von Sopran Agnes Kovács, umsponnen von den imitierenden Obligati der klaren Flöte und Oboe sowie marienhaften Einwürfen des Frauenchors, malten die Streicher im Et misericordia ein farbenreiches Bild. Genau so, wie die Bässe dunkel-düstere Harmonien besaiteten, erhellten die anderen Stimmgeber diese gleichzeitig mit tröstlicher Güte. Auch der Chor unterstrich diese Symbolik, indem er weich aus dem Piano kommend die „a progenite“-Fuge bis zum Mezzoforte gesteigert emotional-dramatisch gut herausstellte.
Mit den folgenden beiden Versen des Fecit potentiam und Deposuit potentes taten sich allerdings erste artikulatorische und intonatorische Risse auf. Zunächst vermochte Bass Marek Rzepka sich in seinem zu angestrengten Bemühen um Geschmeidigkeit und Kraft nur in leisen Stellen gegen die unterstützenden legato-Schleifen von Fagott, Oboe, Horn und Trompete durchzusetzen. Anschließend hatte der eigentlich austarierte, strahlend-präparierte Sopran Katja Stubers deutlichere Probleme, die Tonspur zu halten. Im abwechslungsreich von Bläsern und Streichern begleiteten Terzett mit dem auffällig souveränen Alt Anne Bierwirths und dem leider ebenfalls zu festen Bass Stefan Geyers kam dies jedoch nicht zum Tragen.