Welchen Stellenwert hat die Kunst in einem totalitären System? Einem System, dass Bücher verbrennt, Kunstwerke konfisziert und KünstlerInnen diffamiert und verfolgt. Alle Bereiche der Kultur fielen der NS-Gleichschaltungspolitik zum Opfer, nicht zuletzt auch die Musik. Besonders zu leiden hatten nicht nur VertreterInnen der Moderne, sondern auch jüdische MusikerInnen. Der Komponist Viktor Ullmann und Librettist Peter Kien reihten sich in die lange Liste derer ein, die in Konzentrationslager deportiert wurden. Beide wurden in Theresienstadt, der ehemaligen Garnisonsstadt und während des Zweiten Weltkriegs als Sammel- und Durchgangslager für Treblinka, Majdanek und Auschwitz genutzte Ghetto, inhaftiert.
Theresienstadt hatte eine Sonderstellung unter allen Lagern inne. Als eine Art Potemkinsches Dorf diente es als Vorzeigelager, um die Gräueltaten der Nationalsozialisten zu verschleiern. Neben einem Propagandafilm über das Lager, der das vermeintlich idyllische Leben zeigt, wurden Cafés eingerichtet, Theaterstücke aufgeführt und Konzerte gespielt – Kunst und Kultur wurden ausdrücklich gefördert, um von der maschinisierten Tötungsindustrie der Deutschen und dem alltäglichen Grauen des Konzentrationslagers abzulenken, aber nicht zuletzt auch, um die Moral der Gefangenen zu heben. Trotz dieses ideologischen Missbrauchs nahm der künstlerische Ausdruck einen hohen Stellenwert ein – die Kunst wurde zum Mittel des Widerstands.
In diesem Umfeld entstand zwischen 1943-44 die Kammeroper Der Kaiser von Atlantis oder Die Tod-Verweigerung und wurde so zu einem besonders prägnanten Zeugnis dieses Widerstands. Die einzige, in einem Konzentrationslager komponierte Oper, kreist um die Themen Totalitarismus, den Wert des Lebens, und die Würde des Menschen – Parallelen zum damaligen Zeitgeschehen sind absolut unverkennbar.
Trotz der Verlagerung des Handlungsorts in das fiktive Atlantis wird die Utopie schnell zur Dystopie. Der Kaiser Overall verkündet den Krieg Aller gegen Alle und der Tod, zum bloßen Handwerker des Sterbens degradiert, verweigert seine Dienste. Er schaut dabei zu, wie sich die Menschen versuchen zu töten, aber statt zu sterben, sind sie verdammt, wie Scheintote auf der Erde zu wandeln, sich nach dem Tod zu sehnen, aber doch nicht sterben zu können. Die Ubiquität des Todes im KZ Theresienstadt, in dem über 140.000 Menschen starben, steht im krassen Gegensatz zur Verweigerung des Sterbens in Ullmanns Oper. Seine komplexe Opern-Parabel über das Aufbegehren gegen Unrecht und Unterdrückung ist somit ein unglaublich wichtiges Zeitzeugnis und ein künstlerisches Bekenntnis zum Leben.
Das knapp einstündige Werk ist lediglich fragmentarisch vorhanden. Es gibt keine definitive Version und der Wille des Komponisten über die Form des Werks bleibt unklar. Ullmann, Schüler von Zemlinsky und Schönberg, durchsetzt dieses Opernfragment mit zahlreichen Musikzitaten und zeitgenössischen Einflüssen. Melodien, die an die Opulenz der vergangenen Weimarer Republik erinnern, gar an Weills Dreigroschenoper oder an Bergs Wozzeck. Trommeln und Kanonenlieder beschwören Bilder vom Soldatenleben herauf, ohne aber prägnante Elemente moderner Dissonanz zu vernachlässigen. Ullmann zitiert aber auch den Bach-Choral „Ein’ feste Burg ist unser Gott“ oder gar das Deutschland-Lied. Axel Kober und die Düsseldorfer Symphoniker vermochten es, all die Vielfalt der Partitur mir einer variationsreichen Interpretation facettenreich zum Leben zu erwecken.