Für jeden Konzertliebhaber wird seine Liebe zur Musik momentan auf eine harte Probe gestellt. Seit beinah einem Jahr schon sind Livekonzerte Mangelware und Orchester müssen sich mit meist vorab aufgenommenen Konzerten behelfen. Von diesen sogenannten Streams gibt es mittlerweile sehr viele unterschiedliche Formate. Auf Überraschungen sollte man darum in jedem Fall vorbereitet sein!
Das London Chamber Orchestra feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag. In der letzten Woche hat dieses nach eigenen Angaben älteste professionelle Kammerorchester der britischen Insel ein Videokonzert zusammengestellt unter dem Namen Magische Metamorphosen. Auf dem Programm standen eine ungewöhnlich hohe Zahl zeitgenössischer Kompositionen. Wie sich leider jedoch erst während des „Livestreams“ herausstellte, spielte das LCO an diesem Abend nur drei dieser Werke, alles sehr anspruchsvolle Streichorchesterwerke des 20. Jahrhunderts. Zwischendurch präsentierte die Akkordeonsolistin Ksenija Sidorova drei vom argentinischen Tango inspirierte Solostücke von ihrer neuen CD. Außerdem wurde als Pausenprogramm auch das Musikvermittlungsprogramm des LCO vorgestellt und daran teilnehmende Schüler, die virtuell miteinander verbunden zwei Stücke vorspielten. Die unterschiedlichen Abschnitte wurden zwar von Chefdirigent Christopher Warren Green mit charmanten Wortbeiträgen eingeleitet, das Ganze ließ neben einem programmatischen Zusammenhang jedoch auch ein wenig Gespür für die Bedürfnisse des Publikums vermissen.
Graham Fitkin hatte 1998 sein 1992 geschriebenes Streichquartett Servant für Streichorchester bearbeitet. Diese Bearbeitung musste von der englischen Performing Rights Society gegen den Willen des Komponisten einen neuen Namen bekommen: Vassal. Es ist ein lebendiges Stück mit einem langsameren Mittelteil, welches trotz aller Beweglichkeit eine serene Ruhe ausstrahlt. Fitkins Musik liegt mit seinen postminimalistischen Harmonien und rhythmischen Verschiebungen gut im Ohr. Die Streicher des LCO spielten engagiert und hatten sichtlich Spaß am Auf und Ab dieser Komposition. Auf seiner visuell sehr ansprechenden Webseite kann man Fitkin beim Komponieren zuschauen und bekommt einen memorablen Eindruck vom Entstehen seiner Partituren.