Festwochenzeit in Wien bedeutet stets auch Experimentierzeit. Herausragende Produktionen aus der ganzen Welt werden eingeladen, doch es wird auch nicht vergessen, was vor der eigenen Haustür geschieht. So luden die Wiener Festwochen in Zusammenarbeit mit dem Wiener Konzerthaus auch das Klangforum Wien mit weiteren Künstlern und Ensembles dazu ein, eine Konzertreihe zu veranstalten. Mit dem Titel des Nono-Stücks Wehe den eiskalten Ungeheuern (Guai ai gelidi mostri) als Motto wurden heuer vier Konzerte an zwei Abenden gegeben – trotz hervorragenden Künstlern ein nicht unproblematisches Experiment.
In dieser Kritik wird der erste der beiden Konzertabende besprochen, der mit zwei Konzerten jeweils um 19 Uhr und um 21:30 Uhr aufwartete. Zwei Konzerte an einem Abend? Das ist, wie gesagt, nicht unproblematisch, zumal die Musik, die hier erklang, nicht gerade in den Bereich des Easy Listening gehört. Die Darbietungen wurden dennoch von einem gespannten Publikum bis zur letzten Minute verfolgt und jeweils mit reichlich positiver Reaktion versehen.
Die Eröffnung des ersten Konzertes machte Patricia Kopatchinskaja im Concerto funebre für Solovioline und Streichorchester des deutschen Komponisten Karl Amadeus Hartmann, begleitet vom Klangforum Wien unter der Leitung von Bas Wiegers. 1939 entstanden verarbeitet dieses Konzert die gespannte Stimmung der Zeit und die Anspannung des Komponisten, der durch seine innere Emigration sich dem Nazi-Terror entzog, auf eindrucksvolle Art und Weise und unter Einbeziehung großer kompositorisch-gestalterischer Mittel. Ein Hauch von Wahnsinn durchzieht dieses Stück, was auch von Patricia Kopatchinskaja so zelebriert wurde. Gleich zu Beginn legte sie ihre Schuhe ab und spielte das Konzert barfuß. Derart geerdet waren ihre Bewegungen, wie sie von Hugo von Hofmannsthal in Elektra gefordert wurden, einer Mänade gleich. Jede ihrer jähen Zuckungen übertrug sich sogleich auf ihr genaues und sauberes Spiel, sodass sich schon bald eine Sogwirkung entwickelte, die bis zum Ende der drei Sätze anhielt. Beeindrucken konnte dabei auch das Streichorchester mit brennenden Pizzicati und langen, schön geführten Kantilenen in den langsamen Sätzen.
Ganz anders hingegen die Stimmung des zweiten Stückes dieses ersten Konzerts. Luigi Nonos Guai ai gelidi mostri fällt bereits durch seine ungewöhnliche Besetzung auf: vier Bläser (Flöte, Klarinette, Trompete und Tuba), drei Streicher (Viola, Violoncello und Kontrabass), zwei Altsolistinnen und Live-Elektronik verweben defragmentierte Textfetzen des Dichters Massimo Cacciari mit einem nicht enden wollenden mikrointervallischen Klangkontinuum. Noa Frenkel und Susanne Otto, Spezialistinnen ihres Faches und der Musik Nonos, gaben dabei die orakelhaften Sphinxen mit sonoren und volltönenden Stimmen. Wirklich herausragend waren auch die sieben Instrumentalsolisten und die sauber austarierte Live-Elektronik, bei der sich einem die Nackenhaare aufstellten, wenn sie langsam das Publikum umlief.