„Zwei Märchenaugen, wie die Sterne so schön...“ oder „Die kleinen Mäderln im Trikot“ – die Texte in Emmerich Kálmáns Operette Die Zirkusprinzessin sind in etwa so anspruchsvoll wie jene in gewissen Schlagersendungen im Samstagsabendprogramm des ORF. Und auch angesichts des kompliziert konstruierten Happy Ends, das jeden Kitschfilm im Direktvergleich realitätsnah erscheinen lässt, müsste man eigentlich mindestens den Kopf schütteln oder sofort die Flucht ergreifen. Müsste man, wenn, ja, wenn einen Kálmáns Musik nicht trotzdem so herrlich walzerselig umhüllen und mit ihren üppigen Melodien binnen kürzester Zeit in das heile Operettenuniversum mitreißen würde.
So gelang es dem Grazer Philharmonischen Orchester an diesem Nachmittag vom ersten Takt an, das Publikum zu packen und in weichen Walzerwellen, feurigen Zirkusklängen oder melancholischen Erinnerungen schwelgen zu lassen. Unter der Leitung von Marius Burkert nahmen die Musiker die leichte Muse hörbar ernst, hoben damit die Vorstellung auf ein sehr hohes Niveau und entfachten ein schillerndes Kaleidoskop an Farben und Stimmungen. Bei all der überbordenden musikalischen Leidenschaft aus dem Graben behielt Burkert auch immer das Gesamtbild im Blick, erwies sich als umsichtiger Sängerbegleiter und schuf so eine ideale Klangbalance. Um auch das erzählerische Element im Gleichgewicht zu halten, fungierte der Oberkellner Pelikan – verkörpert mit Wiener Nonchalance von Christoph Wagner-Trenkwitz – als eine Art Reiseführer durch sämtliche Verwirrspiele und die verworrenen Stränge der Vorgeschichte.
Besonders hilfreich waren diese Erläuterungen bezüglich der multiplen Persönlichkeiten des Artisten Mister X, eigentlich Fedja Palinski, Neffe eines Fürsten, der schließlich als Prinz Korossow (samt furchtbarer Frisur im Geert-Wilders-Stil) auftritt. Den ganzen Aufwand betreibt er, wie sollte es auch anders sein, seiner Angebeteten, der Fürstin Fedora Palinska wegen. Und bis die beiden ins „glücklich bis ans Ende ihrer Tage“ tanzen dürfen, bietet Kálmáns Musik ihnen herrliche Schmachtfetzen. Die „Zwei Märchenaugen“ besang Alexander Geller als Mister X verschwenderisch und bombensicher, lediglich mit dem Schmelz in der Stimme hätte er für meinen Geschmack noch ein bisschen großzügiger umgehen dürfen. Aber das ist ein winziger Einwand angesichts der klugen Phrasierungen und des warmen Timbres, das seine Stimme sowohl in der vollen Mittellage als auch in der sauberen Höhe auszeichnete.
In nicht ganz so idealen, aber immer noch sehr guten Händen lag die Rolle der Fedora bei Regina Riel. In den exponierten Spitzentönen klang ihre Stimme zwar strahlend und facettenreich, die Rolle erfordert aber auch in tieferen Lagen einiges an Substanz, an der es ihr vor allem vor der Pause etwas mangelte. Dafür harmonierten beide Stimmen in den Duetten ausgezeichnet und auch das Zusammenspiel sowie besonders die gesprochenen Dialoge, die oft zum Stolperstein einer Operette werden können, wirkten angenehm natürlich und unverkrampft.