Das Niederländische Nationalballett hatte sich aus aktuellem Anlass entschlossen, das ursprünglich geplante Celebrate! durch ein neues Programm mit dem Titel Shadows zu ersetzen und darin das Antikriegsstück Der Grüne Tisch des deutschen Choreographen Kurt Jooss (1901-1979) zum ersten Mal seit 30 Jahren wieder aufzuführen.
Mit seiner 1932 beim Concours de chorégraphie des Archives internationales de la danse in Paris mit dem Ersten Preis ausgezeichneten Choreographie in acht Bildern wurde Jooss über Nacht weltberühmt. Jooss hatte ab 1920 bei dem Choreographen und Tanztheoretiker Rudolf von Laban studiert und später als Tänzer und Assistent in dessen Kompanie gearbeitet. Später studierte er klassisches Ballett in Paris und Wien. 1927 zog er nach Essen, wo er Mitbegründer der Folkwangschule war. Seine mutige gesellschaftskritische Arbeit und seine unnachgiebige Weigerung, jüdische Mitglieder seines Ensembles zu entlassen, zwangen ihn 1934 nach England zu emigrieren. Als britischer Staatsbürger kehrte Jooss erst 1949 nach Deutschland zurück, um die Folkwangschule wiederaufzubauen. Eine seiner damaligen Schülerinnen war Pina Bausch.
Jooss kombiniert in seinen Arbeiten konsequent zwei gegensätzliche Tanzstile: die klassische Balletttechnik auf der einen und den hyperexpressiven Gestus des deutschen Ausdruckstanzes auf der anderen Seite. Er will die Essenz von einzelnen Emotionen einfangen, weshalb er Bewegungen wie für ein Foto einen Moment anhält, so dass sie sich gleichsam in die Netzhaut der Zuschauer einbrennen können. Imponierend wie Giorgi Potskhishvili als personifizierter Tod in die Rüstung eines Kriegsgotts (Kostüme: Hein Heckroth) Schrecken und Angst einflößte. Ebenso beeindruckte Anna Tsygankova als todesmutige Partisanin, die vor dem Peloton ihr Leben lassen muss. Es sind vor allem die kleinen Blicke und Gesten, deren Ausführung den Tänzern Genauigkeit und Präzision abverlangen. Dank der sorgfältigen Einstudierung von Jeannette Vondersaar, ehemaliger Tänzerin beim HNB, die hierin mit der Tochter von Jooss zusammengearbeitet hatte, atmete die Aufführung noch immer spürbar den Geist der Dreißiger Jahre.